20 Jahre Euro – eine Betrachtung von rechts

_  Jurij Kofner, Ökonom, Wirtschaftsberater bei der AfD, Mitglied der Jungen Alternative Bayern. Frankfurt-am-Main, 14. Januar 2022.

Am 1. Januar 2022 sind seit der vollständigen Einführung des Euro in Deutschland genau 20 Jahre vergangen. Europäische Föderalisten aus dem gesamten Altparteienspektrum von der FDP bis zu den Grünen feierten dieses Ereignis, um die vermeintlich große Erfolgsgeschichte des Euro zu unterstreichen und somit den diskursiven Oberton für der Umwandlung der EU in eine Fiskal-, Schulden- und Sozialunion zu unterstützen.

Ein guter Grund, von rechts noch einmal einen kritischen, aber fairen Blick auf die Währungsunion zu werfen. Schließlich war die Euro-Kritik eine der wichtigsten Gründungsforderungen der AfD, die jedoch von anderen europäischen rechtsdemokratischen Parteien wie der FPÖ, Lega oder Rassemblement National nicht so leidenschaftlich geteilt wird.

Mehr als aus wirtschaftlichen Gründen, wurde die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung von ideologischen und politischen Überlegungen motiviert. Einerseits wurde der Euro als Höhepunkt des Friedensprojekts der europäischen Integration dargestellt. Andererseits wurde die Idee der Währungsunion maßgeblich von den frankophonen Staatsmännern Pierre Werner und Jacques Delors vorangetrieben, um den Einfluss der Bundesbank zu reduzieren und die mächtige deutsche Wirtschaft unter die Kontrolle einer gemeinsamen Geldpolitik zu bringen. Nicht umsonst bezeichnete der französische Präsident Mitterand die D-Mark als deutsche „Atombombe“, und es ist ein offenes Geheimnis, dass Bundeskanzler Helmut Kohl diese im Gegenzug für die Wiedervereinigung aufgeben musste.[1]

Das bedeutet aber nicht, dass der Euro nicht auch gute ökonomische Gründe… und Auswirkungen hatte. Die gibt es.

Erstens eliminierte die Einführung des Euro die Transaktions- und Unsicherheitskosten des Währungsumtauschs, z.B. zwischen D-Mark und Lira. Laut einer aktuellen Studie des bekannten österreichischen Ökonomen Gabriel Felbermayr steigerte der Euro den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten um 2,8 Prozent und das deutsche BIP um 0,4 Prozent. Dies ist jedoch relativ wenig im Vergleich zum Nutzen des europäischen Binnenmarkts, der den Intra-EU-Handel um 35,5 Prozent steigert und 4 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts beisteuert.[2] Genau diesen Binnenmarkt will die AfD in Form einer „EWG 2.0“ wieder in den Mittelpunkt stellen.

Zum anderen erleichterte auch die ultralaxe Geldpolitik, die die Europäische Zentralbank 2014 eingeführt hatte, offiziell um den Konsum durch günstigere Bankkredite anzukurbeln, den Mitgliedsstaaten die Schuldenaufnahme – und nicht nur den südeuropäischen. So zeigen Untersuchungen der DZ-Bank und Bundesbank, dass die Bundregierung deshalb jährlich knapp 50 Mrd. Euro an Zinszahlungen einspart.[3]

Drittens machte die D-Mark 1996 13,6 Prozent der weltweiten Devisenreserven aus. Der Euro erreichte in den Jahren vor der globalen Finanzkrise 23 Prozent, ging aber bis 2020 auf rund 19 Prozent zurück.[4] Dennoch ist der Euro nach dem Dollar die zweitgrößte internationale Reservewährung, was der EU und damit indirekt auch Deutschland zu erheblichem Einfluss auf der politischen Weltbühne verhilft. Man denke nur an die Macht der extraterritorialen US-Sanktionen, die Washington dank der dominierenden Rolle des US-Dollars durchsetzen kann.

Dies ist ein Beispiel für wirtschaftliche Integration: Gemeinsam ist man stärker als getrennt. In Zeiten geopolitischer Rivalität und des Aufstiegs einflussreicher globaler Megakonzerne sollte sich die Rechte dieser Tatsache nicht verschließen. Regionale Integrationsblöcke können, je nach ihrer Struktur und Intention, die Souveränität des Nationalstaates nicht nur fesseln, sondern auch stärken. Diese Logik vertritt z.B. auch der konservative Historiker David Engels.[5]

Jedoch hat die falsche und asymmetrische Gestaltung sowohl der EU als auch des Euroraums zu erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten geführt – sowohl für Deutschland als auch für die anderen Mitgliedstaaten. Im Gegensatz dazu, Europas Olivenzweig des Friedens zu sein, könnte die Währungsunion sein ultimativer Totengräber werden.

Zunächst einmal kostet die Negativzinspolitik die deutschen Privatsparer jedes Jahr über 35,5 Milliarden Euro. Analysen des renommierten Ökonomen Hans-Werner Sinn zeigen, dass Deutschlands beträchtliches Auslandsvermögen ohne die Negativzinsen jedes Jahr um 60,4 Mrd. Euro höher sein könnte.[6]

Zweitens hat die somit ermöglichte massive Geld- und Kreditschwemme zu einer Zombifizierung der deutschen Wirtschaft geführt. Laut Ökonom Markus Krall sind zwischen 15 und 20 Prozent der deutschen Unternehmen ineffektive, nicht wettbewerbsfähige und nicht innovative Zombiefirmen, die nur durch „billige“ Kredite am Leben erhalten werden.[7] Dadurch wird Deutschlands jährliches Wirtschaftswachstum im laufenden Jahrzehnt auf unter 1 Prozent gebremst.

Drittens hat der Euro zu erheblichen Handelsungleichgewichten in Europa geführt. Einerseits verdreifachte er den Handelsüberschuss Deutschlands mit den Euro-Ländern von rund 24 Milliarden Euro im Jahr 1996 auf 72 Milliarden Euro in den letzten Jahren vor Corona.[8] Der übliche Wechselkurseffekt hätte die deutschen Exporte verteuern müssen, aber der feste Wechselkurs zwischen den Euro-Ländern hat dazu geführt, dass deutsche Waren im Ausland relativ billiger wurden, als sie hätten sein sollen. Im Kontrast dazu, wurden die Exportsektoren der anderen Mitgliedsstaaten, z.B. Italiens, relativ gesehen weniger wettbewerbsfähig. Dies hat insbesondere im Mezzogiorno zu einer teilweise schwindelerregenden Arbeitslosigkeit geführt. Entgegen der landläufigen Meinung der deutschen Rechten hat Italien tatsächlich mehr durch den Euro verloren als Deutschland. Laut einer Studie der Freiburger Denkfabrik „cep“ hat der Euro seit seiner Einführung bis 2017 jeden Italiener um knapp 8.800 Euro ärmer gemacht.[9] Und wenn wir schon von Vorurteilen sprechen: Ja, der Euro hat der Banka d‘Italia die Aufnahme von Staatsschulden deutlich erleichtert, aber nein: Italien ist eigentlich der drittgrößte Nettozahler an den EU-Haushalt (ca. 4,7 Mrd. Euro jährlich).[10]

Ok, aber was interessiert uns Italien? Ist der Exportüberschuss nicht gut für die deutsche Wirtschaft? Nun, nicht unbedingt. Erstens verteuert der Euro Einfuhren von (Vor-)Produkten. Dem wirkte die Arbeitsmarktreform (Hartz IV) von Bundeskanzler Schröder von 2005 entgegen, indem sie die Löhne niedrig und damit deutsche Unternehmen im Ausland wettbewerbsfähig hielt. Zweitens erleichterte die einheitliche und günstige Währung südeuropäischen Regierungen und Unternehmen die Aufnahme von Schulden, die ihr erhebliches Handelsdefizit mit Deutschland ermöglichten. Bis Ende 2021 entstanden dadurch unbesicherte Forderungen der Bundesbank in Höhe von über 1,2 Billionen Euro – die berüchtigten TARGET-II-Forderungen.[11] Das ist vergleichbar damit, wenn ein Wirt einem arbeitslosen Alkoholiker jede Bierbestellung auf den Tab schreibt. Zum Ende des Monats hat der Wirt zwar hundert Bier verkauft – aber ohne je einen Pfennig Umsatz gemacht zu haben.

Was also tun? Die erste Möglichkeit wäre die gute alte AfD-Forderung, dass Deutschland den Euro verlässt und die D-Mark wieder einführt. Von mir durchgeführte Modellierungen zeigen, dass das Deutschlands BIP dank der Wechselkurs- und Zinsänderungen um 1 bis 1,3 Prozent steigen würde.[12] Dies würde jedoch nicht reibungslos über die Bühne gehen. Die Bundesrepublik würde höchstwahrscheinlich seine TARGET-II-Forderungen verlieren, die so groß sind wie ein Drittel der deutschen Wirtschaft.

Die zweite Option könnte die Reform des Euroraums in eine zweistufige europäische Währungsgemeinschaft und die Einführung von Parallelwährungen sein, wie die AfD-Gründungsprofessoren Bernd Lucke und Dirk Mayer im Jahr 2013 forderten und der Lega-Chef Matteo Salvini im Jahr 2019 androhte.[13] Eine Strukturreform des Eurosystems erscheint jedoch ebenso unwahrscheinlich, wie dass die EZB auf Bitte einer künftigen AfD-Bundesregierung ihre Geldpolitik überdenken würde. Drittens könnte die Bundesbank die TARGET-II-Forderungen durch Goldvermögenswerte ersetzen, wie der Ökonom Phillipp Bagus vorschlägt,[14] oder viertens, man könnte diese Forderungen zumindest als Garantien für staatliche Investitionen in heimische Infrastrukturen nutzen. Jede Option hat ihre Nachteile, aber jede von ihnen könnte immer noch besser sein als der derzeitige langsame monetäre Tod Europas.

Quellen:

[1] Sinn H.W. (2014). The Euro Trap. Oxford Press.

[2] Felbermayr G. et al. (2019). Die (Handels-)Kosten einer Nicht-EU. IfW Kiel. URL: https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/-ifw/Kiel_Policy_Brief/2019/Kiel_Policy_Brief_125.pdf

[3] Bundesbank (2017). Zur Entwicklung der staatlichen Zinsausgaben in Deutschland und anderen Ländern des Euroraums. URL: https://www.bundesbank.de/resource/blob/665400/8ab6760c121a26feb297c6d6216768a0/mL/2017-07-zinsausgaben-data.pdf

[4] Bundesbank (1997). Die Rolle der D-Mark als internationale Anlage- und Reservewährung. URL: https://www.bundesbank.de/resource/blob/691414/4fc9f0a56d44a730e2a5134a92b9f326/mL/1997-04-dmark-data.pdf | Lagarde C. (2021). The international role of the euro, June 2021. ECB. URL: https://www.ecb.europa.eu/pub/ire/html/ecb.ire202106~a058f84c61.en.html

[5] David Engels D. (2019). Renovatio Europae. Plädoyer für einen hesperialistischen Neubau Europas. Manuscriptum. Lüdinghausen – Berlin.

[6] Sinn H.W. (2018). Kosten der Niedrigzinspolitik. URL: https://www.hanswernersinn.de/de/themen/niedrigzinspolitik

[7] Krall M. (2020). Die bürgerliche Revolution. Kopp Verlag. Rottenbutg am Neckar.

[8] Eigene Berechnungen anhand von: BMWi (2021). Facts about German foreign trade. URL: https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/Publikationen/Aussenwirtschaft/facts-about-german-foreign-trade.pdf?__blob=publicationFile&v=6 | WITS (2021). Germany trade balance 1996. URL: https://wits.worldbank.org/CountryProfile/en/Country/DEU/Year/1996/TradeFlow/EXPIMP/Partner/by-country#

[9] Gasparotti A., Kullas M. (2019). 20 Jahre Euro: Verlierer und Gewinner. cep. URL: https://www.cep.eu/fileadmin/user_upload/cep.eu/Studien/20_Jahre_Euro_-_Gewinner_und_Verlierer/cepStudie_20_Jahre_Euro_Verlierer_und_Gewinner.pdf

[10] Kullas M. et al. (2019). 10 Jahre Umverteilung zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Centrum für Europäische Politik (cep). URL: https://www.cep.eu/eu-themen/details/cep/10-jahre-umverteilung-zwischen-den-eu-mitgliedstaaten-cepstudie.html

[11] Bundesbank (2021). TARGRT 2 Balance. URL: https://www.bundesbank.de/en/tasks/payment-systems/target2/target2-balance/target2-balance-626782

[12] Kofner Y. (2021). Welfare effects of DEXIT: Deutschmark and European Economic Community 2.0. MIWI Institute. URL: https://miwi-institut.de/archives/1060 | Kofner Y. (2021). Blue Deal: Fiscal and economic effects of the AfD’s economic program. MIWI Institute. URL: https://miwi-institut.de/archives/1284

[13] Mayer D. (2013). Parallelwährungen als Weg aus der Euro-Krise. Universität Hamburg. URL: https://www.hsu-hh.de/ordnung/wp-content/uploads/sites/549/2017/08/EWUA_Parallelw%C3%A4hrung-als-Krisenl%C3%B6sung_Orientierungen_0313.pdf | Lucke B. (2017).  Warum die Auflösung der Eurozone mit dem Austritt Griechenlands beginnen muss. URL: https://bernd-lucke.de/wp-content/uploads/2017/10/2017-10-23-Warum-Deutschland-nicht-aus-dem-Euro-austreten-sollte.pdf | Scharpf F.W. (2018). There is an alternative: A two-tier European currency community. Max-Planck-Institut. URL: https://www.mpifg.de/pu/mpifg_dp/2018/dp18-7.pdf

[14] Bagus P. (2021). Solving the Target 2 problem with haircuts and gold. MIWI Institute. URL: https://miwi-institut.de/archives/1230

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