Bayerns Außenwirtschaft in der Krise – Ursachen, Strategien und Handlungsbedarf

_ J.C Kofner, Ökonom, MIWI Institut. München, 29. Januar 2025.

Einführung: Ein Bundesland in wirtschaftlicher Schieflage

Bayern, einst als Exportmotor Deutschlands und europäischer Wirtschaftsgigant gefeiert, steckt in einer außenwirtschaftlichen Krise. Während das Land jahrzehntelang von einem starken Exportüberschuss profitierte, schreiben die jüngsten Zahlen eine gänzlich andere Geschichte. Das Exportdefizit bei Waren erreicht alarmierende Höchststände, die Dienstleistungsbilanz bleibt chronisch negativ, und Kapitalflüsse deuten auf eine systematische Abwanderung von Investitionen hin. Die Gründe hierfür liegen in einer gefährlichen Mischung aus konjunkturellen Schocks und hausgemachten politischen Fehlentscheidungen. Der folgende Beitrag analysiert die Situation im Detail und zeigt, welche Probleme eine bayerische Außenwirtschaftsstrategie dringend adressieren muss.

  1. Die Lage des bayerischen Außenhandels: Waren, Dienstleistungen, Kapital

Warenhandel: Vom Exportchampion zum Nettoimporteur

Laut BayStat verzeichnet Bayern seit 2018 ein Exportdefizit im Warenhandel, das 2022 mit -33,3 Milliarden Euro seinen bisherigen Höhepunkt erreichte. Auch wenn sich 2024 mit -2,1 Milliarden Euro eine leichte Erholung abzeichnet, bleibt der Negativtrend bestehen. Die wichtigsten Exportgüter nach OEC – Kraftfahrzeuge (21 %), Maschinen (8 %) und Fahrzeugteile (7 %) – konnten nicht mehr die dominierenden Marktanteile halten, da kostspielige Energie und bürokratische Hürden die Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Auf der Importseite dominieren Maschinen, elektronische Geräte und Kraftfahrzeuge.

Dienstleistungshandel: Ein chronisches Defizit

Nach Schätzungen des ifo Instituts und der IHK hat Bayern ein langjähriges Defizit bei Dienstleistungen, das sich zwischen 50 und 70 Milliarden Euro jährlich bewegt. Während Exporte wie Versicherungsdienste oder unternehmensnahe Dienstleistungen stark nachgefragt bleiben, hat der Überschuss in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Gleichzeitig belasten steigende Tourismus- und IKT-Dienstleistungsimporte die Bilanz.

Kapitalflüsse: Investitionsflucht

Der Nettokapitalabfluss Deutschlands seit 2013 summiert sich laut IW Köln auf 636 Milliarden Euro. Auch Bayern leidet darunter, dass Unternehmen zunehmend ins Ausland investieren, während ausländische Investitionen in Bayern stagnieren. Diese Entwicklung könnte darauf hindeuten, dass viele deutsche Unternehmer in Produktionsstätten im Ausland investieren, während es wenige ausländische Investoren gibt, die in deutsche Produktionsstätten investieren möchten. Dies spiegelt sich auch im Niedergang der Ausrüstungsinvestitionen wider, etwa bei Maschinen in den Produktionshallen. Die Hauptziele dieser Investitionen sind dabei vor allem die USA, während China trotz medialer Aufregung eine untergeordnete Rolle spielt.

  1. Gründe für die miserable Außenwirtschaftsperformance Bayerns

Konjunkturelle Faktoren

Bayerns Importkosten explodierten aufgrund Energiewende und Sanktionspolitik. Nach der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines 2022 und der Abkehr von russischem Erdgas verdreizehnfachte sich der Gaspreis bis 2022 von 15 €/MWh auf 200 €/MWh, bevor er sich auf 50 €/MWh stabilisierte – immer noch dreimal höher als vor der Krise. LNG aus den USA, das laut BDEW inzwischen 45 % der deutschen Gasimporte ausmacht, ist im Schnitt 50 % teurer als russisches Pipelinegas.

Strukturelle Faktoren

Die Deindustrialisierung Bayerns ist offensichtlich. Seit 2018 fiel die Industrieproduktion um ein Viertel unter das potenzielle Niveau (Destatis). Gleichzeitig hat Bayern seit 2018 weniger exportiert, da die Produktionskosten durch die Politik der Kartellparteien massiv verteuert wurden. Das ifo Institut schätzt, dass 80 % des bayerischen Exportdefizits auf diese Entwicklung zurückzuführen sind. Zwischen 2022 und 2025 gingen 42.000 Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe verloren, davon 16.000 allein in der Automobilindustrie. Zudem planen laut einer jüngsten IHK-Umfrage 40 % der Industrieunternehmen ihre Abwanderung ins Ausland.

Hausgemachte Fehler

CSU und Freie Wähler haben durch ihre energiepolitischen und steuerlichen Entscheidungen die Wirtschaft massiv belastet:

Energiewende: Die sogenannte „Energiewende“ hat die Strom- und Wärmekosten massiv erhöht. Die CSU hat den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen und die CO₂-Abgabe eingeführt, während die Freien Wähler den Rückbau der Kernkraftwerke nicht verhinderten. Bayern, einst ein Stromexporteur, wurde zum Stromimporteur mit einer Versorgungslücke von 3 Gigawatt. Die Ampel-Regierung hat zudem ein Heizungsverbot beschlossen und die Gasinfrastruktur nachhaltig geschädigt. In Industrienationen ist eine wirtschaftliche Existenz nur mit ausreichend günstiger Energie möglich. Der Ausstieg aus der Kernkraft im Rahmen der grünen Energiewende führte zu einer deutlichen Verteuerung und Verknappung der Energieversorgung in Bayern. Seit 2011 sind die Strompreise für die bayerische Industrie um ein Viertel von 14,4 auf 17 Cent pro Kilowattstunde und für Haushalte um zwei Drittel von 25,3 auf 41 Cent pro Kilowattstunde gestiegen (BDEW). Deutschland zählt mittlerweile zu den Ländern mit den weltweit höchsten Stromkosten (Global Petrol Prices). Diese Preissteigerungen belasten nicht nur Privathaushalte, sondern stellen auch einen massiven Wettbewerbsnachteil für die bayerische Wirtschaft dar.

Hohe Steuerlast: Die Lohnstückkosten in Bayern sind 20 % höher als in den USA und dreimal höher als in China. Fast 50 % des Einkommens eines Industriearbeiters gehen für Steuern und Abgaben drauf (Platz 2 in der OECD). Unternehmen zahlen 30 % Steuern – eine der höchsten Raten weltweit. Die Steuerquote liegt bei fast 40 %, die Staatsquote bei knapp 50 % – deutlich über Chinas Niveau.

Bürokratie: Das Lieferkettengesetz der CSU zwingt Unternehmen dazu, 437 Fragen zu beantworten und droht mit Bußgeldern von bis zu 8 Millionen Euro. Dies führt zu steigenden Kosten für Rohstoffe und Vorprodukte, wobei bis zu 7 % der deutschen Einfuhren betroffen sind. Die Gesamtkosten belaufen sich laut IfW Kiel auf 77,3 Mrd. Euro – das entspricht 931 Euro pro Einwohner. Zusätzlich verteuert der von der CSU unterstützte CO₂-Grenzausgleich der EU die Importkosten für Aluminium (+1,4 %), Stahl (+1 %), Düngemittel (+2 %) und Zement (+3,7 %), während die Exportpreise deutscher Produkte massiv steigen (z. B. Aluminium: +5 %, Stahl: +4–16 %, Düngemittel: +31–45 %, Zement: +35–76 %). Der CBAM reduziert das Realeinkommen um 1 %, sodass ein durchschnittlicher Haushalt etwa 1.000 Euro verliert. Weitere Belastungen durch Solardachpflicht, Verbrennerverbot sowie überzogene Regulierungen wie das Hinweisgeberschutzgesetz, das Nachweisgesetz und die CSRD-Richtlinie verschärfen die Situation zusätzlich.

  1. Bayerns Außenwirtschaftsstrategie: Ziele und Maßnahmen

Status Quo der Staatsregierung

Trotz der dramatischen Lage fehlt eine offizielle, kohärente Außenwirtschaftsstrategie Bayerns. Die bisherigen Maßnahmen fokussieren auf:

  • Förderung der Internationalisierung bayerischer Unternehmen.
  • Ausbau von Energie- und Rohstoffpartnerschaften.
  • Diversifizierung der Liefer- und Absatzmärkte.

Jährlich investiert die Staatsregierung rund 20 Millionen Euro in Repräsentanzen, Delegationsreisen und Messeförderung. Über 25 Auslandsrepräsentanzen sollen als lokale Anlaufstellen für Unternehmen dienen. Diese Bemühungen sind angesichts der systemischen Probleme allerdings unzureichend.

Position des vbw

Der Verband der Bayerischen Wirtschaft e.V. fordert eine radikale Neujustierung der Strategie:

  • Diversifikation der Märkte: Stärkere Orientierung auf BRICS-Staaten, Afrika und Lateinamerika.
  • Rohstoffpartnerschaften: Aufbau stabiler Beziehungen mit rohstoffreichen Ländern.
  • Fachkräftesicherung: Außenwirtschaftspolitik muss auch die Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte umfassen.
  • Infrastruktur: Verbesserungen in Verkehrs-, Bildungs- und Digitalinfrastruktur.
  1. Herausforderungen für die bayerische Außenwirtschaftsstrategie

Kapital und Eigentumsverhältnisse

  • 65 % der DAX-Konzerne sind im Besitz von BlackRock und der Vanguard Group. Ein erheblicher Anteil bayerischer Industrieunternehmen befindet sich in ausländischem Eigentum, insbesondere in US-amerikanischer Hand. Gleichzeitig wird der Einfluss chinesischer Investitionen in Bayern kritisch diskutiert, wie die Übernahmen von Kuka und Franka Emika zeigen. Die Herausforderung besteht darin, ausländische Investitionen differenziert zu bewerten – sowohl hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Nutzens als auch potenzieller Abhängigkeiten und strategischer Risiken.

Partnerschaften und Handelsbeziehungen

  • Die Verlagerung der Außenhandelskompetenzen auf die EU schränkt Bayerns direkte Einflussmöglichkeiten ein. Es stellt sich die Frage, welche wirtschaftspolitischen Instrumente Bayern dennoch nutzen kann, um eigenständige Handelsbeziehungen und Investitionspartnerschaften zu fördern.
  • Sollte es unter Donald Trump zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen kommen, muss Bayern strategisch bewerten, ob eine Freihandelszone zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) langfristige Vorteile bringen würde.
  • Der geplante EU-Mercosur-Handelspakt wird voraussichtlich nicht zustande kommen. Dies wirft Fragen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen auf Bayerns Industrie und Landwirtschaft auf und erfordert eine klare Positionierung gegenüber der Bundes- und EU-Politik.

Rohstoffabhängigkeiten und Versorgungssicherheit

  • Die bayerische Industrie ist in hohem Maße von kritischen Rohstoffen aus China abhängig. 95 % der für die Produktion essenziellen Seltenen Erden stammen von dort. Ein Lieferstopp hätte gravierende wirtschaftliche Folgen. Die Herausforderung liegt in der Diversifizierung der Lieferketten und dem Aufbau alternativer Bezugsquellen.
  • Die Abhängigkeit von Gasimporten hat sich gewandelt: Während 2022 40 % des deutschen Gases aus Russland kamen, sind es laut BDEW inzwischen 45 % aus den USA. Diese neue einseitige Abhängigkeit wirft die Frage auf, ob sie ebenso kritisch bewertet werden sollte und welche Strategien zur Risikominimierung existieren.

Handelspolitische Rahmenbedingungen und globale Konkurrenz

  • Die EU hat 2024 hohe Strafzölle (17–37 %) auf chinesische Elektrofahrzeuge eingeführt. Dies könnte zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für die bayerische Automobilindustrie führen, insbesondere falls China mit Gegenmaßnahmen reagiert. Die Herausforderung besteht darin, bayerische Interessen auf EU-Ebene wirksam zu vertreten.
  • Die CO₂-Grenzausgleichsmechanismen (CBAM) und Lieferkettengesetze der EU und des Bundes erhöhen die Kosten für bayerische Unternehmen und könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Die Strategie muss Lösungen finden, um diese Belastungen zu minimieren.
  • Die US-Außenwirtschaftspolitik unter Präsident Donald Trump könnte protektionistischer ausfallen und damit den bayerischen Exportmarkt belasten. Bayern muss vorbereitet sein, um auf mögliche Handelsbarrieren zu reagieren.

Fachkräftesicherung und demografische Entwicklung

Fazit

Bayerns Außenwirtschaft steht vor einem Scheideweg. Eine radikale Kurskorrektur ist notwendig, um die wirtschaftliche Zukunft des Freistaats zu sichern. Ansonsten droht der Verlust der wirtschaftlichen Souveränität und weitere Deindustrialisierung.

Haftungsausschluss

Die in dieser Veröffentlichung geäußerten Ansichten sind ausschließlich die des Autors und geben nicht die Position irgendwelcher zugehöriger oder erwähnter Personen oder Organisationen wieder.

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