Big Data deutschen Unternehmen zugänglicher machen – mit einem Datentreuhänder auf Basis der IHK

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. München, 3. Juli 2021.

“Big Data” – dessen Erhebung und Verarbeitung – wird zum wichtigsten Rohstoff in der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft.

Für die Industrie und insbesondere den Maschinenbau in Deutschland spielen Daten-Dienstleistungen eine zunehmend zentrale Rolle in Geschäftsmodellen. Dieser Prozess wird auch als (Data-)Servitisation bezeichnet. [1] , [2]

Jedoch führen sowohl die hohen Kapitalinvestitionen, die für die adäquate Verarbeitung von Big Data erforderlich sind, als auch die bekannten Merkmale digitaler (Plattform-)Märkte – Netzwerk-, Lock-in- und Skaleneffekte, zu einer immer stärkeren Monopolisierung von der digitalen Unternehmenslandschaft. Insbesondere große vertikal integrierte Konzerne, die Daten sammeln und zudem eigene Geschäftsmodelle der Verwertung betreiben, nehmen Käufer oft als mögliche oder tatsächliche Konkurrenten wahr. In solchen Fällen gibt es strategische Anreize, vom Verkauf von Daten abzusehen, um anderen den Eintritt in den Markt zu erschweren. Transaktionen und somit der Marktzugang werden für kleinere Akteure, die über keine eigenen Datenquellen verfügen, erschwert. Deutsche KMUs und Start-ups sind davon insbesondere betroffen. Aber genau für diese ist Zugang zu Big Data unerlässlich, etwa um eigene APIs zu entwickeln, sowie, um Algorithmen zu trainieren und lernen zu lassen. [3]

So lag, z.B., der Marktanteil von Google am deutschen Suchmaschinenmarkt im Jahr 2020 zwischen 86 (Desktop) und 97 Prozent (Smartphone). [4] Gleichzeitig betrug in Deutschland der Anteil von Amazon am Online-Handelsumsatz 34, [5] am Einzelhandelsumsatz sogar 53 Prozent. [6] Die Geschäftsmodelle beider Konzerne basieren auf und profitieren maßgeblich von der Erhebung und Verarbeitung von riesigen Datenmengen.

Durch diese Fragmentierung von Daten wird nicht nur dem Wettbewerb geschadet, da Firmen im Bereich der Datenanalyse effektiv vom Markteintritt abgehalten werden, sondern es werden auch Verbundeffekte, eine zentrale positive ökonomische Eigenschaft von Daten, nicht effizient genutzt.

Aus diesem Grund wird die richtige Herangehensweise an die Frage über das Recht der Datenteilhabe (data sharing) unterschiedlicher Akteure zu einem zentralen Thema für die Regulierung der digitalen Wirtschaft. [7]

Eine allgemeine Offenlegungspflicht für Unternehmensdaten per Gesetz würde die unterschiedlichen Interessen und Eigentumsrechte aller betroffenen Akteure nicht angemessen berücksichtigen und somit Investitionsanreize für Datenproduzenten- und Verarbeiter verringern.

Die Einrichtung einer staatlichen Datenbehörde könnte an den üblichen Ineffizienzen scheitern, wenn der Staat nicht nur den Ordnungsrahmen formuliert, sondern auch selbst zum Marktakteur wird. Dazu kommt noch, dass es bisher wenig Erfahrung auf staatlicher Seite mit dem Betrieb von Datenzentren mit Echtzeitzugang zu massiven Datenvolumina gibt.

Ein effektiverer Lösungsansatz wäre die Schaffung eines Datentreuhänders (data trust) als eigenständige Person des privaten oder öffentlichen Rechts, bzw. im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP).

Dieser Datentreuhänder würde unterschiedliche Arten von Daten aus öffentlichen und privat-unternehmerischen Quellen sammeln, aggregieren und aufarbeiten, um diese dann den heimischen Unternehmen, insbesondere den KMUs, anzubieten, – teilweise auf kommerzieller Basis. Solch eine Idee wird, u.a., vom ifo Zentrum für Industrieökonomik und neue Technologien [8] und dem Fraunhofer-Institut [9] vorgeschlagen. Die Bereitstellung hochwertig aufgearbeiteter Datenmengen oder eine finanzielle Beteiligung an den Einnahmen dieser Datenplattform könnten als Anreize für die freiwillige Bereitstellung von Daten seitens der Privatwirtschaft dienen.

In Deutschland könnten die Industrie- und Handelskammern (IHK) diese Rolle der (teilweise kommerziellen) Datentreuhänder- und Plattformen übernehmen. Erste Erfahrungen in diesem Bereich gibt es bereits aus dem Vereinigten Königreich, [10] sowie in der deutschen Maschinenbau-IOT-Branche [11] und im Zusammenhang mit Verifikation persönlicher Daten. [12]

Quellenangaben:

[1] Falck O., Lohse T., Alipour J. (2019). Transformation zum Dienstleister und neue Anforderungsprofile in der Industrie. ifo Institut. URL: https://www.ifo.de/publikationen/2019/aufsatz-zeitschrift/transformation-zum-dienstleister-und-neue

[2] Falck O., Koenen J. (2020). Industrielle Digitalwirtschaft – B2B-Plattformen. ifo Institut im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. URL: https://www.ifo.de/DocDL/Industrielle-Digitalwirtschaft-B2B-Plattformen_0.pdf

.[3] Eschenbach S. (2019)- A Second Chance for European SME to Survive the Digital Transformation. University of Applied Sciences for Management and Communications. IIASA workshop presentation. URL: https://iiasa.ac.at/web/home/research/eurasian/11_Digital_transformation_workshop_report.pdf

[4] SEO Summary (2021). Suchmaschinen Marktanteile Deutschland 2020. URL: https://seo-summary.de/suchmaschinen/

[5] Brandt M. (2021). Amazon dominiert den deutschen E-Commerce. Statista. URL: https://de.statista.com/infografik/24822/verteilung-des-onlinehandel-umsatzes-in-deutschland/

[6] Janson M. (2021). Amazon baut Macht im Einzelhandel aus. Statista. URL: https://de.statista.com/infografik/22272/anteil-von-amazon-an-den-einzelhandelsumsaetzen-in-deutschland/

[7] ifo Institut (2018). Big Data als Geschäftsmodell: Wie mit der Macht der Internetfirmen umgehen? URL: https://www.ifo.de/publikationen/2018/zeitschrift-einzelheft/ifo-schnelldienst-102018

[8] Falck O., Koenen J. (2020). Rohstoff „Daten“: Volkswirtschaftlicher Nutzen von Datenbereitstellung – eine Bestandsaufnahme. ifo Institut mit finanzieller Unterstützung der IHK München und Oberbayern. URL: https://www.ifo.de/DocDL/ifo_Forschungsberichte_113_RohstoffDaten.pdf

[9] Lind H.J., Suckfüll H. (2013). Die Initiative einer Deutschen Daten Treuhand (DEDATE) als Ultima Ratio der persönlichen digitalen Datenwirtschaft (PDD). Fraunhofer Institut. URL: https://www.imw.fraunhofer.de/content/dam/moez/de/documents/Working_Paper/DEDATE-gesamt.pdf

[10] ODI (2019). Data trusts: Lessons from three pilots. Open Data Institute. URL: https://theodi.org/article/odi-data-trusts-report/

[11] Siehe: ADAMOS (2021). ADAMOS: Die strategische Allianz im Maschinen- und Anlagenbau. URL: https://www.adamos.com/ueber-adamos

[12] Siehe: Verimi (2021). Über uns. Über Verimi. URL: https://verimi.de/ueber-verimi/

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