Bürgerkrieg oder Großmacht: Eine Prognose der Zukunft Russlands

Am 22. Januar 2024 fand in Magdeburg eine Veranstaltung der Friedrich-Friesen-Stiftung statt, die sich mit dem für Deutschland bedeutungsgeladenen Thema „Bürgerkrieg oder Großmacht: Eine Prognose der Zukunft Russlands“ auseinandersetzte, wobei der Ökonom Jurij Kofner vom MIWI Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik als Referent geladen war.

Die Veranstaltung wurde von Dr. Andreas Graudin, dem Vorsitzenden der Friedrich-Friesen-Stiftung, moderiert und wurde durch die Teilnahme besonderer Gäste wie Oliver Kirchner, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt, und Dr. Jan Moldenhauer, Sprecher für Finanzen und Haushalt, Energiepolitik der AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt, bereichert.

Im Zentrum von Kofners Vortrag stand die Herausforderung, die Zukunft Russlands zu prognostizieren, angesichts der Komplexität und Unsicherheit der geopolitischen Lage. Die Analyse gliederte sich entlang von vier zentralen Bereichen: der außenpolitischen Situation, dem Faktor Kapital (Ressourcenbasis und Finanzen), der Arbeitskräfte und demographischen Entwicklung sowie dem Faktor Technologie, Wertschöpfung, wirtschaftliches und gesellschaftspolitisches System. Kofner veranschaulichte dabei die verschiedenen Einflussfaktoren durch die Produktionsfunktion Y = KLa.

Im Hinblick auf die außenpolitische Situation stützte sich Kofner auf die Einschätzung von Oberst Markus Reisner, dass Russland den Krieg in der Ukraine wahrscheinlich für sich entscheiden werde. Er skizzierte zudem eine sich formierende multipolare Weltordnung, in der der Westen bis 2050 nur noch ein Drittel der globalen Wirtschaft ausmachen werde. Ein weiterer interessanter Aspekt war die Vorstellung, dass aufgrund von Masseneinwanderung, grüner Deindustrialisierung und Wokeness Rechte im Westen an Einfluss gewinnen könnten und eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland anstreben würden.

Im Kapitalbereich hob Kofner Russlands Ressourcenreichtum hervor, insbesondere in den Bereichen Gas, Öl, Uran, Seltene Erden und Lebensmittel. Er betonte, dass westliche Embargos und Finanzsanktionen kaum Auswirkungen zeigten, und dass die russischen Staatseinnahmen aus Kohlenwasserstoffen trotz des Krieges höher waren als 2021. Das entschiedene Eingreifen der russischen Zentralbank wurde ebenfalls als entscheidender Faktor für die Wirtschaftsleistung Russlands genannt.

Die technologische Dimension beleuchtete die Umstellung Russlands auf eine resiliente Kriegswirtschaft. Kofner verwies auf ein Wirtschaftswachstum von knapp 3 Prozent im Jahr 2023, kritisierte jedoch die zu langsame Modernisierung der Industrieproduktion in den vergangenen Jahrzehnten. Er betonte, dass die Importsubstitutionspolitik gescheitert sei, aber Russland teilweise westliche Sanktionen auf die Einfuhr von Spitzentechnologien umgehen konnte. Zudem könne Russland auf eine die relativ souveräne Digitalwirtschaft mit Unternehmen wie Yandex, Telegram und GLONASS sowie auf eine wettbewerbsfähige Nuklear- und Raumfahrtindustrie zurückgreifen.

Der demografische Bereich wurde von Kofner als größte Herausforderung für Russland dargestellt, da die Bevölkerung seit 2000 leicht gesunken ist. Besorgniserregend sei der Rückgang der Fertilitätsrate trotz erfolgreicher pränataler Politik, sowie der Anteil der ethnischen Russen im Staatsvolk von 80 auf 72 Prozent. Die Auswanderung gut ausgebildeter Russen seit Februar 2022, von denen jedoch die Hälfte enttäuscht vom Westen zurückkehrte, verschärfte den Fachkräftemangel.

Im politischen und wirtschaftlichen System Russlands sah Kofner Proteste als unwahrscheinlich an, da die Zustimmungsraten für Putin und die Regierung auf höchstem Niveau verharren. Die Möglichkeit eines Militärputschs nach dem gescheiterten „Marsch auf Moskau“ wurde als unwahrscheinlich betrachtet. Dafür konnte Putin ein kompetentes A-Teams in der Wirtschaftspolitik zusammenstellen, zu dem unter anderem prominente Namen wie Gref, Naibullina und Mischustin gehören. Trotzdem wies er auf mehrere kritische Herausforderungen hin. Mit 71 Jahren hat Putin bisher keinen klaren Nachfolger aufgebaut, und die Frage der „Thronfolge“ bleibt in Russland unreguliert, ähnlich wie im Römischen Reich. Ein weiteres Problem, das Kofner ansprach, war die mangelnde Transparenz bezüglich der Konkurrenz zwischen den verschiedenen Seilschaften, den s.g. „Kremltürmen“. Im Gegensatz zum Zweiparteiensystem der USA werden diese Machtkämpfe nicht öffentlich gemacht, was politische Aufstiegschancen behindert und die Entscheidungsfindung undurchsichtiger gestaltet. Besonders hervorgehoben wurde die Schwierigkeit, in Russland eine politische Kraft zu finden, die einerseits Putins geopolitische Strategien und konservative Werte unterstützt, gleichzeitig aber für eine verstärkte Marktwirtschaft eintritt.

Ein weiteres bedeutsames Problem, das Kofner ansprach, war der sogenannte „Staatskapitalismus“ und die Importsubstitutionspolitik Russlands. Obwohl diese Ansätze für Stabilität sorgen, sind sie anfällig für Stagnation. Kofner betonte die Notwendigkeit einer exportorientierten Wirtschaftspolitik und der Förderung des Mittelstands als entscheidende Elemente für eine erfolgreiche Modernisierung. Er betonte dabei, dass die Ausrichtung, ob mit oder ohne „Westernisierung“, von untergeordneter Bedeutung sei, solange die nationale Souveränität als Staatsdoktrin bewahrt bleibt.

Das Fazit des Vortrags überließ der Referent dem Publikum, welche der genannten Faktoren die Zukunft Russlands am ehesten beeinflussen werden. Kofner beendete seinen Vortrag mit dem bekannten Gedicht von Fjodor Tjuttschew:

„Verstehen kann man Russland nicht,

und auch nicht messen mit Verstand.

Es hat sein eigenes Gesicht.

Nur glauben kann man an das Land“.

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