Compliance-Lieferantenverpflichtung für eine Mindest-Gasbevorratung einführen

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. München, 4. Februar 2022.

Der Geschäftsführer der Initiative Energien Speichern (Ines), in der sich die Betreiber der deutschen Gasspeicher zusammengeschlossen haben, betonte im Handelsblatt am 2. Februar 2022, dass der „Speicherfüllstand in Deutschland historisch tief“ sei. [1]

Schuld an dem niedrigen Speicherfüllstand ist nicht Russland, welches „nach übereinstimmender Aussage aller Marktteilnehmer seinen vertraglichen Lieferverpflichtungen nachkommt“. [2] Aussagen des russischen Präsidenten zufolge soll das auch im Fall einer weiteren Zuspitzung der Ukrainekrise so bleiben. Grund an dem geringen Befüllungsstand sind die historisch hohen Gaspreise, wodurch die deutschen Gasimporteure in IV 2021 kein Gas einkaufen wollten, da dieses zu diesem Zeitpunkt sehr teuer war (bis zu 300 Euro pro MWh).

Laut AGSI waren die Gasspeicher in Deutschland zum 03. Februar 2022 nur zu 36 Prozent befüllt. Dabei war der Füllstand der bayerischen Gasspeicher teilweise sehr kritisch: Bierwang (50 Prozent), Inzenham West (43 Prozent), Schmidhausen (31 Prozent), Wolfersberg (30 Prozent); Breitbrunn, der zweitgrößte Gasspeicher in Bayern, war nur zu 7 Prozent gefüllt. [3]

Nach einem Gutachten des BMWi (2015) sei zum 1. Februar eines jeden Jahres ein Speicherfüllstand von 40 Prozent notwendig, um eine siebentägige Extremkälte zu bewältigen. Dieses Kriterium ist momentan nicht erfüllt. Um 30 Tage Extremkälte zu bewältigen, wäre eine Befüllung von 50 Prozent notwendig. Im Fall eines politischen Konflikts sei ein Speicherfüllstand von mindestens 60 Prozent notwendig, um einen einmonatigen Ausfall der Gaslieferung zu überbrücken. [4]

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und der „Notfallplan Gas“ des BMWi erläutern das Vorgehen im Fall einer kritischen Gasknappheit. Dieser Prozess kann in zwei Hauptphasen unterteilt werden. Die erste Phase sieht einen „Blue Out“ vor, d.h. eine vertraglich geregelte Unterbrechung der Gaslieferung für „nicht geschützte“ Unternehmenskunden, die im Gegenzug dafür eine finanzielle Kompensation erhalten. Die zweite Phase sieht einen schrittweisen Stopp der Gaslieferungen an Gaskraftwerke, Heizkraftwerke, Haushaltskunden, und „grundlegende soziale Dienste“ vor – von „nicht geschützten Kunden“ zuerst bis zu „geschützten Kunden“ zuallerletzt. [5]

Um eine ausreichende Gasbevorratung in den Speichern sicherzustellen, ist die Bewirtschaftung der Gasspeicher durch regulatorische Eingriffe zu ändern. Grundsätzlich stehen dabei zwei Alternativen zur Debatte: erstens, eine strategische Gasreserve nach dem Vorbild des Erdölbevorratungsgesetzes (1998). Die Finanzierung der Ölbevorratung über den Erdölbevorratungsverband (EBV) des BMWi wird durch Pflichtbeiträge der Unternehmen sichergestellt, die Ottokraftstoff, Dieselkraftstoff, leichtes Heizöl oder Flugkraftstoff nach Deutschland einführen oder hier herstellen. Die Beitragssätze betragen einheitlich 3,56 Euro je Tonne. [6]

Besser als eine strategische Gasreserve der Bundesrepublik wäre eine Compliance-Lieferantenverpflichtung der Gasunternehmen, wobei kurz vor Beginn der Heizperiode im Herbst ein bestimmter Gasspeicherfüllstand verbindlich erreicht sein muss. Die Importeure wären somit verpflichtet, ausreichend Gas zu beschaffen. Dieser Ansatz ist kosteneffizienter, da private Unternehmen besser wissen, wie und wann sie die vorgegebene Mindestmenge am Gasmarkt einkaufen müssen. Auch die Initiative Energien Speichern (INES) befürwortet diesen zweiten Ansatz.

Mögliche Preissteigerungen für Endkunden, die als Folge der Umsetzung beider Ansätze erfolgen können, könnten durch eine Herabsenkung der Steuerkomponente im Gaspreis entgegengewirkt werden. Nach Angaben des VBEW machen „Steuern und Abgaben“ 33 Prozent des Gaspreises für deutschen Haushalte aus. [7]

Deshalb sollte die Bundesregierung eine Compliance-Lieferantenverpflichtung der Gasunternehmen nach Vorschlag der Initiative Energien Speichern (INES), [8] einführen, um eine ausreichende Mindest-Gasbevorratung in Deutschland und Bayern sicherzustellen.

Quellen:

[1] Stratmann K. (2022). Gasvorräte unter der kritischen Grenze. Handelsblatt. URL: https://www.handelsblatt.com/politik/energieversorgungskrise-gasvorraete-unter-der-kritischen-grenze/28024788.html

[2] Stölzel T., Güßgen F. (2022). Wer ist wirklich Schuld an der Gaskrise? Ein Daten- und Faktencheck. WiWo. URL: https://www.wiwo.de/unternehmen/energie/energieknappheit-wer-ist-wirklich-schuld-an-der-gaskrise-ein-daten-und-faktencheck/28005328.html?utm_medium=social&social=facebook&Echobox=1643199588#utm_medium=Social&utm_source=Facebook

[3] AGSI (2022). URL: https://agsi.gie.eu/#/

[4] BMWi (2015). Möglichkeiten zur Verbesserung der Gasversorgungsicherheit und der Krisenvorsorge durch Regelungen der Speicher. URL: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/moeglichkeiten-zur-verbesserung-der-gasversorgungsicherheit-und-der-krisenvorsorge-durch-regelungen-der-speicher.html

[5] BMWi (2019). Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland. URL: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/notfallplan-gas-bundesrepublik-deutschland.html

[6] BMWi (2022). Ölkrisenvorsorge und -management. URL: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/mineraloel-oelbevorratung-transport-oelreserven.html

[7] VBEW (2021). Zusammensetzung des Erdgaspreises für Haushalte 2021. URL: https://www.vbew.de/releases/current/web/securedl/sdl-eyJ0eXAiOiJKV1QiLCJhbGciOiJIUzI1NiJ9.eyJpYXQiOjE2NDM4ODQ0MjAsImV4cCI6MTY0Mzg5MTYyMCwidXNlciI6MCwiZ3JvdXBzIjpbMCwtMV0sImZpbGUiOiJmaWxlYWRtaW5cL0RhdGVuXC9kYXRlaV9hbmhhZW5nZVwvVl8xODUuMjBfVkJFVy1HcmFmaWtlblwvVl8xODUuNDBfRXJkZ2Fzd2lydHNjaGFmdFwvMjA2LTJfWnVzYW1tZW5zZXR6dW5nX0VyZGdhc3ByZWlzX0hhdXNoYWx0ZV8yMDIyLTAxLnBkZiIsInBhZ2UiOjIzMn0.9mwNMYzGP017N_AJDs7Lf0Q-WrcaM0HJ_KX1H2XIeAY/206-2_Zusammensetzung_Erdgaspreis_Haushalte_2022-01.pdf

[8] Initiative Energien Speichern (2022).  Lieferantenverpflichtung. WiWo. URL: https://www.wiwo.de/unternehmen/energie/fuellstaende-der-gasspeicher-historisch-tief-schuetzt-eine-gasreserve-vor-russlands-willkuer/27992424.html

Haftungsausschluss

Die in dieser Veröffentlichung geäußerten Ansichten sind ausschließlich die des Autors und geben nicht die Position irgendwelcher zugehöriger oder erwähnter Personen oder Organisationen wieder.

Beitrag teilen