Deutsche Rüstungsindustrie stärken: heimisches Rüstungscluster für Kampfdrohnen und Drohnenabwehr

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. München, 16. Februar 2023.

Aufgrund des Krieges in der Ukraine soll die Bundeswehr Mittel in Höhe von 100 Mrd. Euro erhalten. Dazu wurde im Bundeshaushalt 2022 unter Vorwand der coronabedingten vorübergehenden Aussetzung der Schuldenbremse eine Verschuldung, genannt Sondervermögen, in dieser Höhe eingerichtet.[1]

Mit diesem erweiterten Verteidigungsbudget sollen die deutschen Militärausgaben von derzeit 1,2 auf 2 Prozent des BIP angehoben werden, wie es damals auf dem NATO-Gipfel 2006 festgelegt wurde. Dieser Schuldentitel würde laut IW Köln zusätzliche jährliche Militärausgaben zwischen 21,1 und 24,8 Mrd. Euro in den Jahren 2022 bis 2025 bedeuten.[2]

Trotz der fiskal-juristischen Fragwürdigkeit dieses s.g. „Sondervermögens“, ist diese Entscheidung dennoch zu begrüßen, da mit den zusätzlichen Ausgaben einerseits die desolate Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik wieder hergestellt[3] und potenziell ein positiver Spill-over-Effekt für die heimische Wirtschaft und Innovationskraft erzielt werden könnte.

Heimische Rüstungsindustrie muss bevorzugt werden

In der politischen Abwägung zwischen, einerseits, der schnellstmöglichen Einsatz-Befähigung der Bundeswehr mithilfe ausländischer Ausstattung, und, andererseits, der nachhaltigen Stärkung nationaler Rüstungskompetenzen, und somit einer langfristig verbesserten geostrategischen Souveränität der Bundesrepublik, muss die Regierung das letztere wählen.

Aufgrund der hohen technologischen Fähigkeiten der bayerischen Rüstungsindustrie würde sich die Bevorzugung nationaler bzw. bayerischer Rüstungsunternehmen bei der anstehenden 100-Milliarden-Euro-Modernisierung der Bundeswehr positiv auf Innovationskraft und Wachstum der deutschen und bayerischen Wirtschaft auswirken.

Insbesondere sollten daher die staatlichen Verteidigungsausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) von derzeit 0,05 auf mindestens 0,2 Prozent des BIP erhöht werden.[4] Eine Analyse des MIT (2019) kommt in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass ein Anstieg der F&E-Ausgaben im Verteidigungsbereich um 10 Prozent zu einem Anstieg der F&E-Aufwendungen des Privatsektors der Volkswirtschaft um 4 Prozent führen wird.[5]

Bisher profitieren hauptsächlich die USA vom deutschen Verteidigungsetat

Aufgrund der jahrzehntelangen Unterfinanzierung der Bundeswehr durch die Altparteien, insbesondere CDU/CSU, konnte die heimische Rüstungsindustrie nicht die notwendigen Kapazitäten entwickeln, um den durch den Sonderfonds ermöglichten rasch gestiegenen Beschaffungsbedarf zu bedienen. Von dem 100-Milliarden-Euro-Budget dürften daher vor allem ausländische, v.a. US-amerikanische, Rüstungslieferanten profitieren.[6]

Auch historisch wurde bedauerlicherweise ein großer Teil der staatlichen Beschaffungsaufträge für die Bundeswehr bislang an ausländische Anbieter vergeben, v.a. aus den USA. Zwischen 2011 und 2020 waren die Vereinigten Staaten größter ausländischer Rüstungslieferant an Deutschland. Laut dem Stockholm International Peace Research Institute entfielen 26,4 Prozent der deutschen Importe von Waffensystemen auf die USA.[7]

Nationaler Rüstungscluster für Kampfdrohnen und Drohnenabwehr

Der größere Teil des Sondervermögens (61,6 Mrd. Euro) wird angesichts der zunehmenden Bedeutung für die zukünftige Landesverteidigung für Aufklärung sowie Luft- und Raumfahrt ausgegeben.[8] So kauft die Luftwaffe beispielsweise 35 amerikanische F-35A-Kampfflugzeuge für 8,3 Milliarden Euro, zumal ihr europäisches Pendant, der Eurofighter Typhoon, von den USA immer noch nicht lizenziert wurde,[9]  sowie israelische Heron-TP-Kampfdrohnen.

Der Konflikt in der Ukraine hat insbesondere die neue herausragende Bedeutung der Drohnenkriegsführung gezeigt, sowohl für die Luftaufklärung für Artilleriefeuer, als auch für das Treffen strategischer militärischer und infrastruktureller Ziele an und hinter der Front. Dabei wird besonders effektiv unbemannte loiterfähige Präzisionsmunition, umgangssprachlich „Kamikaze-Drohnen“, eingesetzt. Sie sind relativ günstig, was ihren Abschuss mit konventionellen Land-Luft-Abwehrsystemen extrem kostspielig macht.[10]

Die Rüstungsindustrie mit ihren vielen mittelständischen Unternehmen ist von großer Bedeutung für die bayerische Wirtschaft. Vier der sechs größten deutschen Rüstungskonzerne und ein Drittel der nationalen wehrtechnischen Produktion sind im Freistaat angesiedelt. Im Jahr 2020 erwirtschafteten allein diese vier Unternehmen zusammen einen Umsatz von 67,6 Mrd. Euro, was 11,1 Prozent des regionalen BIP entspricht. Insgesamt beschäftigen die über 70 bayerischen Rüstungshersteller, darunter viele Familienunternehmen, rund 20.000 bis 30.000 Mitarbeiter.[11],[12]

Vor allem im Bereich der Luftverteidigung zeigen folgende bayerische Unternehmen höchste technologische Kompetenzen: Airbus Defence (Eurofighter, EuroDrone), Diehl Defence (IRIS-T SLM/SLS), Krauss-Maffei Wegmann (Gepard), MBDA Deutschland (TLVS, PATRIOT, STINGER, Nah- und Nächstbereichsschutz NNbS).[13]

Angesichts der führenden Potenziale Bayerns in diesem Bereich, um die Einbindung der heimischen Rüstung in aktuelle und zukünftige Beschaffungsaufträge der Bundeswehr nachhaltig zu steigern und um den Anforderungen Deutschlands bei künftiger Drohnenkriegsführung gerecht zu werden, sollte die Regierung den Auf- und Ausbau eines regionalen, international wettbewerbsfähigen Industrieclusters zur Herstellung von Kampfdrohnen, insbesondere von unbemannter loiterfähiger Präzisionsmunition, und entsprechenden Drohnenabwehrsystemen, aktiv unterstützen.

Handlungsempfehlungen

  • Die jährlichen staatlichen F&E-Fördermittel im Verteidigungshaushalt müssen auf 0,2 Prozent des BIP erhöht werden. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf Forschung und Entwicklung auf im Bereich Kampfdrohnen und Drohnenabwehr gelegt werden.
  • Das für die heimische Rüstungsindustrie notwendige MINT-Fachkräfteangebot muss gesteigert werden, insbesondere im Bereich Kampfdrohnen und Drohnenabwehr, durch den gezielten Ausbau von relevanten (Weiter-)Bildungsangeboten.
  • Deutschland hat als einziges Industrieland bisher darauf verzichtet, im Gegensatz zu allen anderen Partnerstaaten, an ausländische Rüstungslieferanten Kompensationsanforderungen zu stellen, durch die deutsche Unternehmen an der Wertschöpfung teilhaben können. Diese sogenannten „Offset“-Geschäfte beziehen sich auf die Gesamtnutzungsdauer der betroffenen Systeme. Daher ist eine Kompensationsquote von mindestens 60 Prozent verbindlich einzufordern und durchzusetzen.
  • Staatliche Rüstungsaufträge müssen von jeglichen Klima- und Gendervorgaben befreit werden.
  • Die Regierung muss proaktiv die Interessen heimischer Rüstungsunternehmen im europäischen Kooperationsprojekt FCAS (Future Combat Air System) unterstützen.

Quellen

[1] BMVI (2022). Mehr als 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr – für unsere Sicherheit. URL: https://www.bmvg.de/de/aktuelles/mehr-als-100-milliarden-euro-bundeswehr-sicherheit-5362112

[2] Bardt H. (2021). Deutschland bleibt hinter Ziel der NATO zurück. IW Köln. URL: https://www.iwd.de/artikel/deutschland-bleibt-hinter-ziel-der-nato-zurueck-504087/

[3] Kurmayer N.J. (2022). Generalleutnant: Bundeswehr steht „blank“ da und kann wenig bieten. Euractiv. URL: https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/generalleutnant-bundeswehr-steht-blank-da-und-kann-wenig-bieten/

[4] Congressional Research Service (2020). Government Expenditures on Defense Research and Development by the United States and Other OECD Countries. URL: https://fas.org/sgp/crs/natsec/R45441.pdf

[5] Moretti E. et al. (2019). The intellectual spoils of war: How government spending on defence research benefits the private sector. Berkerly, MIT. URL: https://voxeu.org/article/how-governmentspending-defence-research-benefits-private-sector

[6] Hegmann G. (2022). Ernüchterung nach der Euphorie – die Probleme der deutschen Rüstungswirtschaft. Welt. URL: https://www.welt.de/wirtschaft/plus237645331/Milliarden-fuer-Bundeswehr-die-Probleme-der-deutschen-Ruestungsfirmen.html

[7] SIPRI (2022). SIPRI Arms Transfers Database. URL: https://sipri.org/databases/armstransfers

[8] ZDF (2022). Sondervermögen für Rüstungsgüter. Das kauft die Bundeswehr für 100 Milliarden. URL: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/bundeswehr-sondervermoegen-waffen-panzer-100.html

[9] Buro A. (2018). Die nukleare Zwickmühle. US-Atomwaffen für deutsche Eurofighter? Atomwaffen A-Z. URL: https://www.atomwaffena-z.info/heute/a-z-blog/artikel/af6c52559ecdbd854732c29cb7dde66a/die-nukleare-zwickmuehle.html

[10] Boffey D. (2022). Financial toll on Ukraine of downing drones ‘vastly exceeds Russian costs’. The Guardian. URL: https://www.theguardian.com/world/2022/oct/19/financial-toll-ukraine-downing-drones-vastly-exceeds-russia-costs

[11] Wickel H.P. (2017). Die bayrische Erfolgsgeschichte, über die Bayern kaum spricht. Welt. URL: https://www.welt.de/regionales/bayern/article161354917/Die-bayrische-Erfolgsgeschichte-ueber-die-Bayern-kaum-spricht.html

[12] Breitsamer B., Muth M. (2016). Bayern – Land der Biere und Haubitzen. URL: https://www.br.de/nachricht/ruestungsexporte-bayern-spitze-100.html#:~:text=Das%20ist%20kein%20Wunder%2C%20denn,Diehl%20aus%20dem%20Raum%20N%C3%BCrnberg

[13] StMWi (2022). Antwort auf die Anfrage zum Plenum des Herrn Abgeordneten Gerd Mannes (AfD). Bayerische Luftverteidigungsindustrie.

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