Frauen am Arbeitsmarkt könnten Fachkräftemangel langfristig verschärfen

_ Jurij Kofner, Ökonom,  MIWI Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. München, 11. April 2024. Erstveröffentlichung im Heimatkurier.

Die Wahlfreiheit der Frau zwischen Beruf und Karriere oder Kindern und Familie, oder einer Kombination aus beidem, ist eine wichtige gesellschaftliche Errungenschaft. Dementsprechend sollten Frauen selbstverständlich die gleichen Rechte und Möglichkeiten wie Männer auf dem Arbeitsmarkt haben. Im postmodernen Westen sehen wir jedoch die Umkehrung dieser freiheitlichen Prinzipien hin zur Propagierung der weiblichen Erwerbsbeteiligung als einzig als erfolgreich erachtetes Rollenbild, begleitet von einer immer größeren finanziellen Notwendigkeit für Frauen zu arbeiten. Der Mainstream-Vorstoß, unter dem Deckmantel von „Fortschrittlichkeit“ und „Emanzipation“ immer mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu drängen, ist nicht nur ein Angriff auf die traditionelle Familie und die Geburtenrate, sondern wird auch aus rein ökonomischer Sicht langfristig den Fachkräftemangel verschärfen.

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Politische Interessengruppen und Forschungsinstitute drängen auf eine stärkere Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt. Sie begründen dies nicht nur mit der Linderung des Fachkräftemangels und der Steigerung des Wirtschaftswachstums, sondern sehen darin auch einen Schritt in Richtung Emanzipation und „Fortschritt“.[1] In der Tat würde eine Angleichung der weiblichen Erwerbsbeteiligung an die der Männer 1,3 Mio. (Deutsche ohne Migrationshintergrund) bis 2,4 Mio. (Gesamtbevölkerung) mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt bringen.

Konservative sehen dies im Gegenteil kritisch – als Angriff auf traditionelle Familienwerte – und befürchten, dass dadurch der Bevölkerungsrückgang beschleunigt wird. Das konservative Argument ist, dass eine erhöhte weibliche Erwerbsbeteiligung (female labour force participation, FLFP), ceteris paribus, die Wahrscheinlichkeit verringert, dass eine Frau Kinder bekommt, wodurch die Gesamtfruchtbarkeitsrate (total fertility rate, TFR) eines Landes sinkt. So helfen Maßnahmen zur Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen zwar bei der Linderung des derzeitigen Fachkräftemangels, könnten diesen jedoch nach 15-20 Jahren sogar noch verschärfen, wenn die Kinder, die deshalb nicht geboren sind, das erwerbsfähige Alter erreicht hätten.

Empirische Untersuchungen zu diesem Thema sind sehr interessant. Für die OECD-Länder konnten folgende Trends identifiziert werden.[2] Zunächst war die Korrelation zwischen FLFP und TFR tatsächlich stark negativ. In den 1980er Jahren wechselte diese Beziehung jedoch ins Positive. So stieg zwischen 2005 und 2021 die Fertilitätsrate deutscher Staatsbürgerinnen von 1,3 auf 1,5, obwohl die Erwerbsquote deutscher Frauen ohne Migrationshintergrund im gleichen Zeitraum von 70 auf 81 Prozent gestiegen ist.[3]

Forscher erklären dies sowohl mit entgegenkommenderen gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber berufstätigen Müttern als auch mit verstärkten politischen Bemühungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, z.B. mithilfe von Kindergeld und besserer Kinderbetreuung.[4]

Allerdings gibt es zwei wesentliche Vorbehalte: Der Wandel hin zu einer positiven Korrelation zwischen FLFP und TFR erfolgte in der Regel erst, nachdem die TFR die notwendige Ersatzrate von 2,1 unterschritten hatte. Und diese ist in den untersuchten Ländern weiterhin darunter. Das bedeutet, dass die Bevölkerung der entwickelten Länder immer noch schrumpft, ebenso wie ihre jeweiligen Arbeitskräfte. Darüber hinaus haben frühere Studien, soweit der Autor das beurteilen kann, die Auswirkungen der Einwanderung aus Kulturen mit einer traditionell höheren Fertilitätsrate auf die diskutierte Beziehung nicht berücksichtigt. Beispielsweise differenziert die Bundesstatistik bei der TFR nicht zwischen Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund, sondern nur nach Staatsbürgern und Ausländern insgesamt.

Bis diese beiden Fragen nicht besser erforscht sind, sollte die Bundesregierung, insbesondere im Falle einer möglichen konservativen Koalition, nicht voreilig die Erhöhung der Frauenbeschäftigung als möglichen Ansatz zur Lösung des Fachkräftemangels wählen.

Quellen

[1] Siehe, z.B.: Merkur (2023). Familienministerin: Frauen als Lösung für Fachkräftemangel. URL: https://www.merkur.de/wirtschaft/familienministerin-frauen-als-loesung-fuer-fachkraeftemangel-zr-91857350.html

[2] Oshio T. (2019) Is a positive association between female employment and fertility still spurious in developed countries?  Hitotsubashi University. URL: https://www.demographic-research.org/volumes/vol41/45/default.htm

[3] Destatis (2023b). Ergebnisse des Mikrozensus. Statistische Bibliothek. URL: https://www.statistischebibliothek.de/mir/receive/DESerie_mods_00000020 |

[4] Destatis (2023c). Zusammengefasste Geburtenziffern (je Frau): Deutschland, Jahre, Staatsangehörigkeit der Mutter. URL: https://bit.ly/3TPbDu6

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