Hinweisgeberschutzgesetz: freiheitsfeindlich, bürokratisch, kostentreibend

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut. München, 17. Juli 2022.

Die sog. „Whistleblower“-Richtlinie der EU 2019/1937[1] beziehungsweise im deutschen Referentenentwurf vom April 2022 als „Hinweisgeberschutz“ bezeichnet,[2] ist ein typisches Beispiel, wie die links-grüne institutionelle Diskurshoheit durch die Kontrolle des Sprachgebrauches etwas negatives, freiheitsfeindliches als etwas Gutes und freiheitsfreundliches verkaufen will.

Einführung einer Spitzel- und Denunzianten-Kultur

Ehrlich wäre es gewesen, die EU-Richtlinie als Spitzel-Richtlinie und das Bundesgesetz als Denunzianten-Gesetz zu bezeichnen, denn genau das sind sie.

Die Richtlinie beschützt „Hinweisgeber“, damit diese fleißig Verstöße gegen EU-Verordnungen melden können. Und sie verpflichtet alle öffentlichen und privaten Organisationen und sogar Behörden dazu, „sichere Kanäle“ für die Meldung von Verstößen gegen EU-Recht einzurichten.

Die europäische Spitzel-Richtlinie sieht vor, dass Personen geschützt werden, die Verstöße gegen EU-Regulierungen melden, etwa, wenn es um Produktsicherheit geht, Datenschutz und auch öffentliche Gesundheit.

Bedauerlicherweise geht die Ampel-Bundesregierung mit seinem Referentenentwurf bei der Umsetzung der EU-Spitzel-Verordnung viel weiter, als selbst Brüssel es verlangt. Ausgerechnet das von der angeblich liberalen FDP geführte Bundesjustizministerium hat viele freiheitsfeindliche Verschärfungen in den Referentenentwurf eingebaut.

So sollen nun auch Ordnungswidrigkeiten gegen deutsches Recht denunziert werden können.

Die Liste der möglichen Verstöße wurde auf alle Lebensbereiche ausgeweitet. Der gelb-rot-grüne Staat zeigt, dass er alle Bereiche des Lebens kontrollieren möchte. So kann man jetzt auch Vergehen gegen die Verkehrssicherheit und gegen den sog. „Klimaschutz” an die Behörden melden.

Die Richtlinie und der Gesetzentwurf räsonieren mit einer Wiedereinführung einer staatlichen Spitzel- und Denunzianten-Kultur in allen gesellschaftlichen Bereichen, welche dem freiheitlich-demokratischen Geist der Bundesrepublik widerspricht.

Eine weitere Belastung für den Mittelstand

Die EU-Spitzel-Richtlinie und das Denunzianten-Gesetz der Ampel-Regierung sind nicht nur ein weiterer Schritt in Richtung Überwachungsstaat, wo die FDP munter mitmacht, sondern auch eine weitere immense Belastung für den deutschen Mittelstand.

Nach der Richtlinie sollen nämlich Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, künftig verpflichtet sein, ein internes Meldesystem einzurichten. Selbst laut Referentenentwurf, der üblicherweise die Kosten immer untertreibt, wird die Einrichtung einer Meldestelle jedes kleinere und mittlere Unternehmen zwischen 12.500 und 25.000 Euro kosten. Die jährlichen Unterhaltungskosten werden auf knapp 6.000 Euro angesetzt.[3]

Jede neue bürokratische Vorgabe belastet die kleinen und mittleren Unternehmen immer relativ schwerwiegender als Großkonzerne. Denn durch Skaleneffekte können diese sich üblicherweise ganze Abteilungen leisten, deren einziges Ziel es ist die Bürokratiekosten zu minimieren.

Die im Referentenentwurf vorgesehene Ausnahme über die Nicht-Einrichtung von Meldestellen in Tochtergesellschaften von Großkonzernen verschärft diese wettbewerbsverzerrende Mehrbelastung des Mittelstands zusätzlich.[4]

Auch die vorgesehenen Bußgelder in Höhe von 20.000 Euro bis 100.000 Euro für die Nichteinrichtung bzw. Behinderung von Meldestellen stellen eine nicht verhältnismäßige und unzumutbare Belastung für die Unternehmen dar.[5]

Durch eine Meldung drohen wirtschaftliche Einbußen, Wettbewerbsnachteile und langfristige Imageschäden – selbst dann, wenn sich der Vorgang im Nachhinein als ungerechtfertigt herausstellt. Die im Referentenentwurf äußerst vage formulierte Begriffsdefinition von „begründeten Verdachtsmomenten“ ermöglicht und stimuliert geradezu exzessive Meldungen von falschen Verdächtigungen und Anschuldigungen. Diese Möglichkeit könnte sogar dazu führen, dass sich Unternehmen über die Meldestellen gegenseitig schaden, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.[6]

Insbesondere angesichts zweier Jahren Corona-Einschränkungen, rasant steigender Inflationsraten, wiederkehrender Lieferengpässe sowie einer absehbaren Energieknappheit, ist die Umsetzung weiterer unternehmerischer Bürokratie-Auflagen unzumutbar.

Ein weiterer Schritt gegen die Nationalstaaten

In vielen Bereichen der Richtlinie kann die Europäische Kommission sich nicht auf die Rechtsgrundlagen der europäischen Verträge stützen und verletzt mit dem Richtlinienvorschlag das Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip gemäß Art. 5 Abs. 1, primär hinsichtlich der Meldungen seitens der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, im Bereich der Beihilfekontrolle, durch die Einmischung in die Angelegenheiten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), sowie von Kommunen.

Im Bundesrecht bestehen bereits zahlreiche Vorschriften, die den Arbeitnehmer zur Meldung von Verstößen ermächtigen bzw. ihn bei solchen Meldungen schützen. Neben gesetzlichen Regelungen z. B. aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gehört hierzu primär das Maßregelungsverbot nach § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es besteht also kein Bedarf für zusätzliche Gesetze und Verordnungen.

Quellen:

[1] Europäische Kommission (2019). Schutz von Hinweisgebern („Whistleblowern“). URL: https://ec.europa.eu/info/aid-development-cooperation-fundamental-rights/your-rights-eu/whistleblowers-protection_de

[2] BMJ (2022). RefE: Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. URL: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Hinweisgeberschutz.html

[3] Keller A. et al. (2022). Hinweisgeberschutzgesetz: Wie Unternehmen Hinweisgeber künftig schützen müssen. Ecovis. URL: https://de.ecovis.com/aktuelles/hinweisgeberschutzgesetz-wie-unternehmen-hinweisgeber-kuenftig-schuetzen-muessen/

[4] Herrweg A.K. (2022). Gesetzentwurf zum Hinweisgeberschutz enttäuscht. Behörden Spiegel. URL:

https://www.behoerden-spiegel.de/2022/05/12/gesetzentwurf-zum-hinweisgeberschutz-enttaeuscht/

[5] Stellungnahme DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V. zum RefE HinSchG (2022). BMJ. URL:

https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2022/Downloads/0512_Stellungnahme_Familienunternehmer_HinSchG-E.pdf;jsessionid

[6] Stellungnahme Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zum RefE HinSchG (2022). BMJ. URL: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2022/Downloads/0512_Stellungnahme_bda_HinSchG-E.pdf

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