Hochlauf der bayerischen Wasserstoffwirtschaft wirtschaftlich und technologieoffen gestalten

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. Grünwald, 6. März 2023.

Bayern zu einem großen Wasserstoff-Hub zu machen, ist einer der links-grünen Träume von Wirtschaftsstaatsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Für diesen Traum gibt die Bayerische Staatsregierung jährlich rund 13,8 Mio. Euro an Steuergeldern aus (insgesamt 151 Mio. Euro zwischen 2014 und 2024), um bis 2030 eine Wasserstoffkapazität von bis zu 1.700 MW (8.500 MWh pro Jahr) aufzubauen.[1]

Diese einseitige und in diesem Sinne planwirtschaftliche staatliche Subventionierung einer einzigen Technologie ist falsch. Denn die Staatsregierung kann nicht wissen, was „der Energieträger der Zukunft“ sein wird. Nur der freie Markt kann dies über einen funktionierenden Preismechanismus herausfinden. Der staatlich forcierte Hochlauf der regionalen Wasserstoffwirtschaft kann somit als Paradebeispiel für eine „Anmaßung von Wissen“ gelten.[2]

Wasserstoff ist als Nischenprodukt in der Tat ein interessanter Energieträger. Dieser wird Kohlenwasserstoffe jedoch mittelfristig nicht ersetzen. Lediglich die Verbraucher sollen frei entscheiden, ob ein Wechsel für sie sinnvoll erscheint.  Im Jahr 2021 entfielen drei Viertel des Primärenergieverbrauchs in Bayern auf fossile Brennstoffe und Kernenergie.[3] Laut allen Hauptszenarien (IEA, BP, Equinor) werden weltweit zum Jahr 2050 immer noch rund zwei Drittel des Primärenergieverbrauchs durch fossile Brennstoffe und Kernenergie gedeckt werden.[4] Auch darf nicht vergessen werden, dass der Gesamtwirkungsgrad bei der Rückverstromung von H2 bei lediglich 30 bis 40 Prozent liegt.[5]

Die Erzeugung von Wasserstoff in Bayern mithilfe von volatiler Solar- und Windkraft ist sehr teuer und ineffektiv: rund 50 Cent pro kWh bei 1.000 Jahresvolllaststunden.[6] Dabei konnte die heimische Windkraft im Jahr 2020 nur 1.900 Jahresvolllaststunden erbringen, Fotovoltaik nur 850.[7]

Bleibt die ordnungspolitische Beschränkung auf nur „grünen“ Wasserstoff bestehen, dann wäre es deutlich günstiger (16,5 Cent pro kWh), diesen aus entfernten Regionen zu importieren, die einen komparativen Kostenvorteil haben, z.B. aus Chile und Marokko.

Dabei wäre die Beimischung von H2 in die bestehende Erdgasinfrastruktur eine kostengünstige, aber begrenzte Option (max. 15 Prozent). Doch selbst das wird derzeit zu Unrecht durch die EU-Richtlinie (2021/0425 (COD) untersagt. Da H2 ein höchst korrosives und flüchtiges Gas ist, ist die Umrüstung bestehender und der Bau neuer Transport- und Speicherinfrastruktur sehr kostspielig.[8]

Eine lokale Wasserstofferzeugung wäre nur unter einem technologieoffenen Ansatz wirtschaftlich möglich, der die Erzeugung von „grauem“ und „rotem“ Wasserstoff zulässt, d.h. durch Dampfreformierung von Kohlenwasserstoffen (5 Cent pro kWh) oder Kernkraft (6,5 Cent pro kWh).[9]

Anstelle der einseitigen staatlichen Fokussierung auf heimische H2-Erzeugung könnte es mehr Perspektiven geben, sich auf den Export von Umwandlungssystemen zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen zu konzentrieren. Nach Schätzungen des IW Köln könnte der deutsche Maschinen- und Anlagenbau bis 2030 rund 30 Milliarden Euro Wertschöpfung und fast 400.000 neue Arbeitsplätze in diesem Sektor bundesweit schaffen.[10]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wasserstoff eine interessante Technologie ist, deren Anwendung jedoch durch physikalische und wirtschaftliche Aspekte eingeschränkt ist und in Zukunft bleiben wird. Die Bayerische Staatsregierung sollte davon absehen, diese Einzeltechnologie durch Subventionen dirigistisch voranzutreiben. Vielmehr sollten München, Berlin und Brüssel die Mittel für Forschung und Entwicklung zur Lösung von Kostenproblemen der Wasserstoffwirtschaft (Korrosivität, Wirkungsgrade usw.) erhöhen, bürokratische Hürden für die Umsetzung abbauen und einen technologieoffenen und kosteneffizienten Ansatz begrüßen, einschließlich von „grauem“ und „rotem“ Wasserstoff.

Quellenverweise

[1] Antwort der Staatsregierung auf die  Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerd Mannes (AfD) vom 26.10.2022 betreffend Wasserstoff in Bayern I.

[2] Hayek F.A. (1973). Die Anmaßung von Wissen. Ordo, Band 26.

[3] Bayerische Staatsregierung (2022). Primärenergieverbrauch. Energie-Atlas Bayern URL: https://www.energieatlas.bayern.de/thema_energie/daten/primaerenergie#:~:text=Ab%20den%201970er%2DJahren%20hat,er%20auf%201.746%20Petajoule%20gesch%C3%A4tzt.

[4] Blümm F. (2022). Energie der Zukunft: Wie sieht der Energiemix 2050 aus? Tech for Future. URL: https://www.tech-for-future.de/energiezukunft/

[5] Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerd Mannes (AfD) vom 08.07.2019. Grenzen der Energiewende in Bayern – Anfrage III: Energiespeicher. Drucksache 18/3528.

[6] Ebenda.

[7] VBEW (2021). Stromerzeugung in Bayern 2020.

[8] Antwort der Staatsregierung auf die  Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerd Mannes (AfD) vom 26.10.2022 betreffend Wasserstoff in Bayern III.

[9] McKinsey (2021). Hydrogen Insights. URL: https://hydrogencouncil.com/wp-content/uploads/2021/02/Hydrogen-Insights-2021.pdf

[10] Fritsch M., Puls T., Schaefer T. (2021). Synthetische Kraftstoffe: Potenziale für Europa: Klimaschutz- und Wertschöpfungseffekte eines Hochlaufs der Herstellung klimafreundlicher flüssiger Energieträger. IW Köln. URL: https://bit.ly/35TTIxL

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