Kapitalismus und Nation – Für eine differenzierte Debatte von rechts
_ J.C. Kofner, Ökonom, MIWI Institut. München, 23. Dezember 2024. Erstveröffentlichung in der Krautzone.
Der Kapitalismus polarisiert die politische Rechte. Viele konservative Denker haben den liberalen Kapitalismus als Bedrohung für nationale Identität und traditionelle Kultur dargestellt. Doch eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass der Kapitalismus historisch auch als treibende Kraft für die Bildung moderner Nationalstaaten gewirkt hat. Eine objektivere Debatte über den Kapitalismus ist für die politische Rechte dringend notwendig, um ideologische Scheuklappen abzulegen und die wahren Dynamiken unserer Zeit zu verstehen.
Kapitalismuskritik der Rechten
Die Kapitalismuskritik ist ein zentrales Motiv der deutschen Konservativen Revolution. Arthur Moeller van den Bruck kritisierte in Das Dritte Reich (1923) den Kapitalismus als „kosmopolitischen“ und „entnationalisierenden“ Faktor, der die deutsche Kultur bedrohe. Er forderte eine Rückbesinnung auf eine starke nationale Gemeinschaft. Oswald Spengler sah im Kapitalismus eine Begleiterscheinung des abendländischen Kulturverfalls. In seinem Werk Der Untergang des Abendlandes (1918/1922) warnte er vor den zerstörerischen Kräften eines enthemmten Kapitalismus.
Ernst Niekisch kritisierte den Kapitalismus als zerstörerisch für nationale Solidarität und soziale Gerechtigkeit und als unmenschliches System, das kulturelle Wurzeln zerstört, wobei er eine autoritäre, sozialistische Ordnung als Alternative forderte. Moderne Autoren wie Benedikt Kaiser greifen diese Kritik auf und sehen den Kapitalismus als Werkzeug globalistischer Eliten, das die heimische Arbeiterschaft zugunsten multinationaler Konzerne ausbeutet. In seinem Werk Solidarischer Patriotismus (2020) plädiert Kaiser für eine Politik, die soziale Gerechtigkeit und nationale Identität vereint, und kritisiert den Kapitalismus für seine Förderung sozialer Ungleichheit und Entfremdung.
Die rechte Kapitalismuskritik hat oft einen berechtigten Kern: Sie mahnt an, dass Konsum-orientierter Hedonismus und post-christlicher transnationaler Materialismus die Bindekräfte traditioneller Gemeinschaften schwächen. Doch diese Kritik übersieht häufig die historische Rolle des Kapitalismus in der Entstehung und Stabilisierung moderner Nationalstaaten.
Kapitalismus als treibende Kraft für Nationalstaaten bei Ernst Gellner
Die Frage, ob der Kapitalismus tatsächlich die nationale Identität bedroht, lässt sich auch anders beantworten. Der Sozialanthropologe Ernst Gellner argumentiert in seinem Werk Nationen und Nationalismus (1984), dass der industrielle Kapitalismus maßgeblich zur Entstehung von Nationalstaaten beigetragen hat.
Gellner sieht den Nationalismus als modernes Phänomen, das mit der Industrialisierung einhergeht. Vor der industriellen Revolution waren Gesellschaften agrarisch geprägt, ethnisch geschichtet und stark lokalisierte Einheiten. Die Industrialisierung erforderte jedoch eine universelle Bildung und eine gemeinsame Sprache, um die Anforderungen einer dynamischen Arbeitswelt zu erfüllen.
Die Massenalphabetisierung war ein integraler Bestandteil des industriellen Kapitalismus. Nationale Bildungssysteme wurden geschaffen, um eine homogene, arbeitsfähige Bevölkerung heranzubilden. Sprachliche und kulturelle Einheit wurden zu zentralen Bausteinen der nationalen Identität.
Gellner beschreibt den Kapitalismus nicht als Gegner, sondern als Katalysator des Nationalstaats. Die wirtschaftliche Notwendigkeit, eine mobile und gebildete Arbeiterschaft zu schaffen, trieb die Entwicklung ethnisch homogener Nationalstaaten voran.
Kapitalismus und Nationalstaaten bei David Friedman
In seiner Arbeit A Theory of the Size and Shape of Nations (1977) untersucht David Friedman, Sohn des berühmten Ökonomen Milton Friedman, wie wirtschaftliche Faktoren die Form und Größe von Staaten beeinflussen. Friedman argumentiert, dass Staaten ihre Grenzen so gestalten, dass die Steuererhebung optimiert und die Kosten minimiert werden. Wenn Arbeit der dominante Produktionsfaktor ist, begünstigt dies die Bildung homogener Nationalstaaten. Diese benötigen eine einheitliche Sprache und Kultur, um die Mobilität und Produktivität der Arbeit zu fördern.
Friedmans Modell ergänzt Gellners Theorie, indem es wirtschaftliche Interessen in den Mittelpunkt stellt. Während Gellner die kulturelle Homogenisierung als funktionalen Bedarf moderner Industriegesellschaften sieht, betont Friedman die ökonomischen Anreize, die homogene und stabile Nationen schaffen. Arbeit als dominanter Produktionsfaktor impliziert außerdem, dass Nationen geschlossene Grenzen oder kulturelle Homogenität aufweisen sollten, um die „Exit-Kosten“ zu maximieren: Wenn mehrere Nationen eine mobile Arbeitskraft besteuern, sind ihre Steuersätze durch die Gefahr begrenzt, Bevölkerung an andere Staaten zu verlieren. Um Abwanderung unattraktiv zu machen, können Staaten entweder die Mobilität einschränken – durch physische Barrieren oder gesetzliche Maßnahmen – oder nationale Grenzen so gestalten, dass Emigration prohibitiver erscheint, indem alle Orte, die kulturell und sprachlich als attraktiv empfunden werden, innerhalb eines einzigen Staates liegen.
Zusammen zeigen beide Ansätze, dass Kapitalismus und Nationalstaat keine Gegensätze sind. Im Gegenteil: Sie sind eng miteinander verbunden und haben einander wechselseitig befördert.
Fazit: Für eine differenzierte Kapitalismusdebatte von rechts
Die rechte Kritik am Kapitalismus ist oft von berechtigtem Misstrauen gegenüber den sozialen und kulturellen Folgen geprägt, etwa der Kommodifizierung der Frau oder dem hedonistischem Massenkonsum. Doch diese Kritik sollte differenziert betrachtet werden, da der Kapitalismus historisch entscheidend zur Entstehung moderner westlicher Nationalstaaten beigetragen hat, indem er Massenalphabetisierung, kulturelle Homogenisierung und stabile, souveräne Nationen ermöglichte. Kapitalistische Mechanismen förderten die Vereinheitlichung der Sprache. Genau das ist der Grund weshalb postmoderne Marxisten diese kontrollieren wollen, um Nation, Kultur und Familie zu untergraben.
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