Leistung muss sich wieder lohnen: Überstunden von der Einkommensteuer befreien!

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut. Erstveröffentlichung im FREILICH Magazin. München – Graz, 9. November 2023.

Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist eines der größten Probleme der heimischen Wirtschaft.  Im Juni 2023 betrug die Fachkräftelücke bundesweit knapp 528.000 offene Stellen, die nicht mit passend qualifizierten Arbeitslosen besetzt werden konnten. [1] Im Jahresdurchschnitt 2022/2023 fehlten in Bayern 157.401 qualifizierte Arbeitskräfte (Fachkräftelücke). Damit gab es für durchschnittlich 62,4 Prozent aller offenen Stellen keine passend qualifizierten Arbeitslosen (Stellenüberhangsquote). [2] Laut einer Prognos-Studie für den vbw werden in Bayern im Jahre 2025 rund 350.000 Fachkräfte fehlen, in Deutschland knapp 3 Millionen Fachkräfte. [3]

Ein Aspekt, um der Herausforderung des zunehmenden Fachkräftemangels aufgrund des demografischen Rückgangs zu begegnen, ist die Erhöhung der Wirtschaftsproduktivität im Sinne der Zahl der geleisteten Überstunden pro Arbeitnehmer. Leider hat sich das Überstundenvolumen in Deutschland von 1,1 Mrd. Stunden im Jahr 2000 auf unter 600 Mio. Stunden im Jahr 2022 fast halbiert. Im Jahr 1970 lag das Überstundenvolumen noch bei 3,6 Mrd. Stunden. [4]

Ein wesentlicher Grund für diesen Rückgang der zusätzlich geleisteten Arbeitszeit ist die relativ hohe steuerliche Belastung der Arbeit in Deutschland im Allgemeinen und der Überstunden im Besonderen. Ein durchschnittlicher deutscher Arbeitnehmer hat im Jahr 2022 die zweithöchste Lohnsteuer- und Sozialabgabenbelastung der Welt: 48,3 Prozent des Bruttolohns werden abgezogen. [5] Im internationalen Vergleich hatte Deutschland 2021/22 die mitunter höchsten Lohnstückkosten im Verarbeitenden Gewerbe (44 Euro pro Stunde) [6] und EU-weit die sechsthöchsten Arbeitskosten in der Privatwirtschaft (40 Euro pro Stunde). [7]

Um beide Probleme – den Fachkräftemangel und die hohe steuerliche Belastung des Faktors Arbeit – zu lösen, sollten Überstunden, die über 40 Stunden pro Woche hinaus geleistet werden, vollständig von der Einkommensteuer befreit werden. Eine Fülle von Forschungsliteratur, z.B. von IZA, [8] Banca d’Italia [9] und IWF, [10] zeigt, dass eine Senkung der Einkommensteuer das Arbeitsangebot erhöht, insbesondere in Form von geleisteten Überstunden.

Die geringeren Einkommensteuereinnahmen für die staatlichen Haushalte werden teilweise durch die produktivitätssteigernde Wirkung der Steuerbefreiung ausgeglichen werden. Darüber hinaus gehende Einnahmeausfälle können durch eine Reduzierung unnötiger Staatsausgaben für Migration, Klima und anderen staatlichen Interventionismus kompensiert werden: ca. 90-100 Mrd. Euro auf Bundesebene und 2,6 Mrd. Euro im Freistaat. Darüber hinaus sollten mögliche Einnahmeverluste von Ländern und Kommunen durch eine Umstrukturierung des Verteilungsschlüssels des Steueraufkommens zugunsten beider kompensiert werden.

Quellen

[1] Quispe V., Tiedemann J. (2023). Fachkräftereport Juni 2023. KOFA. URL: https://www.kofa.de/daten-und-fakten/studien/fachkraeftereport-juni-2023/

[2] KOFA (2023). URL: https://www.kofa.de/media/Publikationen/Laendersteckbriefe/Bayern.pdf

[3] Vbw (2019). Arbeitslandschaft 2025. Prognos. URL: https://www.vbw-bayern.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Sozialpolitik/2019/Downloads/20190221_Arbeitslandschaft-2025_final.docx.pdf

[4] IAB (2023). IAB-Arbeitszeitrechnung. URL: https://iab.de/daten/iab-arbeitszeitrechnung/

[5] OECD (2023). Taxing Wages 2023. URL: https://www.compareyourcountry.org/taxing-wages/en/0//ranking/

[6] Schröder C. (2022). Lohnstückkosten im internationalen Vergleich. Kostenwettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie in Zeiten multipler Krisen. IW Köln. URL: https://www.iwkoeln.de/studien/christoph-schroeder-kostenwettbewerbsfaehigkeit-der-deutschen-industrie-in-zeiten-multipler-krisen.html

[7] Herzog-Stein A., Stein U. (2023). Arbeits- und Lohnstückkosten – Entwicklung 2022. IMK. URL: https://www.imk-boeckler.de/fpdf/HBS-008643/p_imk_report_183_2023.pdf

[8] Frederiksen A. et al. (2001). Overtime Work, Dual Job Holding and Taxation. IZA. URL: https://www.iza.org/publications/dp/323/overtime-work-dual-job-holding-and-taxation

[9] Attinasi M.G. et al. (2016). The effects of labour income taxes on labour market performance: an empirical analysis. Banca d’Italia. URL: https://www.bancaditalia.it/pubblicazioni/altri-atti-convegni/2016-current-issues-fiscal-policy/Attinasi_Berardini_DeStefani_Osterloh.pdf

[10] Velasquez A., Vtyurina S. (2019). How Does Taxation Affect Hours Worked in EU New Member States?. IMF. URL: https://doi.org/10.5089/9781498315708.001.A001

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