Libertarismus als Staatsideologie? Aussichten auf Javier Mileis Präsidentschaft in Argentinien

Am 10. Januar 2024 fand ein Abendvortrag des Hayek-Clubs München statt, der sich dem Thema „Klassischer Liberalismus als Staatsideologie? Aussichten für die Präsidentschaft von Javier Milei in Argentinien“ widmete. Jurij Kofner, Ökonom vom MIWI Institut referierte vor einem großteils jungen Publikum, in der eindrucksvollen Kulisse der Burschenschaft Stauffia. Florian Handwerker, der Leiter des Hayek-Clubs München, moderierte die Veranstaltung.

In seinem Vortrag skizzierte Kofner die zentralen Gedanken von Javier Milei, dem ersten libertären Präsidenten Argentiniens und somit ersten libertären Staatsoberhaupt generell. Der Anarchokapitalist Milei sei jedoch nicht „rechts“ im europäischen Sinne. Sein Kampf gegen (Kultur-)Marxisten gründet nicht auf konservativen Werten wie Familie, Kultur und Religion, sondern auf liberalen Überzeugungen für das Recht auf Freiheit, Leben und Eigentum.

Kofner zog Parallelen zwischen Mileis Vorhaben und Stalins Konzept des „Sozialismus in einem einzigen Staat“. Ähnlich wie Stalin gegen Trotzkis Idee einer Weltrevolution argumentierte, ist Milei gezwungen, eine libertäre Gesellschaft innerhalb und mithilfe eines Staates zu etablieren – ein Konzept, das sich gegen die Annahme richtet, dass der Libertarismus nur jenseits des Staates gedeihen könne.

Der Vortrag hob die historischen Grundlagen des Wohlstands in Argentinien bis 1913 hervor, als liberale Prinzipien wie Handelsliberalisierung, der Goldstandard und Währungskonkurrenz das Land zu einem der zehn reichsten der Welt machten. Demgegenüber wurde die aktuelle wirtschaftliche Misere auf staatlichen Interventionismus, einen ausufernden Wohlfahrtsstaat und eine massive Ausweitung der Geldmenge zurückgeführt.

Kofner beschrieb Mileis Reformagenda als „libertäre Schocktherapie“, die eine drastische Reduzierung des Staatsapparates, der Staatsausgaben und der Steuern vorsieht. Über 300.000 Gesetze wurden per Präsidialdekret abgeschafft, darunter Liberalisierungen im Miet- und Arbeitsrecht. Doch trotz dieser Maßnahmen kämpft Milei gegen die geballte Macht des staatlichen Verwaltungsapparats, der Gewerkschaften, der Sozialisten und der Medien, zudem er im nationalen Parlament immer noch in der Minderheit ist.

Der Krönung für Mileis Vorhaben wird die Abschaffung der Zentralbank und die offizielle Dollarisierung der Wirtschaft sein. Dieser Schritt kann als Legalisierung des inoffiziellen Status Quo verstanden werden und soll die politische Klasse daran hindern, die monetäre Druckerpresse zu missbrauchen. Kofner kritisierte, dass dies zwar Buenos Aires der FED und dem amerikanischen Fiat-Währungssystem ausliefere, aber hoffte auch darauf, dass dies nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu Hayeks Vision eines freien Wettbewerbs der Währungen sei.

Ein interessanter Aspekt des Vortrags war Kofners Vergleich von Mileis Programm mit dem Konzept des „Ordnungsstaates“ von Dmitrios Kisoudis. Die Verteidigung von „Freiheit, Leben und Eigentum“ durch Milei gegen potenzielle Straßenproteste und den „Tiefen Staat“ wurde durch das Prisma von Carl Schmitts Überlegungen zu Souveränität und Politik betrachtet.

Fesselnd  war die Analyse von Mileis exzentrischer Art und Rhetorik, die Kofner als Anwendung von Murray Rothbards Anweisungen zum „Rechtspopulismus“ beschrieb. In einer Welt, in der progressive Sozialdemokraten die herrschende Elite bilden, sollen libertäre und populistische Ideen als konterrevolutionäre Kraft von unten nach oben präsentiert werden. Nur so kann die freiheitliche Wende gelingen.

Der Bericht schloss mit der Betonung von Mileis Wahlsieg, der zwei wichtige Meilensteine verdeutlichte: die Wähler schätzen Ehrlichkeit und akzeptieren die Notwendigkeit harter Reformen, und libertäre Ideen können, wenn sie richtig präsentiert werden, auch die Massen begeistern. So erhielt Milei etwas mehr Stimmen aus der Arbeiterklasse als sein sozialistischer Konkurrent.

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