Ökonomische Auswirkungen der im Ampel-Koalitionsvertrag skizzierten CO2-Bepreisung

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. München, 19. Januar 2022.

Die Regierungskoalition hat das Erreichen der Pariser Klimaziele zur höchsten Priorität erklärt. Die Aufgabe ist die drastische und vollständige Transformation der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Klimaneutralität bis 2045. Wie eine neue Ideologie wurde der Klimaschutz in Form der Reduzierung des CO2-Ausstoßes als übergeordnete Regierungs-Mission bestätigt, der alle Aspekte der Wirtschaftspolitik untergeordnet werden müssen. Dafür definiert das verschärfte Klimaschutzgesetz wie ein sowjetischer Fünfjahresplan detailliert die erlaubten CO2-Emissionen pro Jahr und Sektor. Und laut Koalitionsvertrag wird jedes neue Gesetz einem sogenannten Klimacheck unterzogen werden müssen. Um diese gigantische Aufgabe zu erfüllen, sieht der Koalitionsvertrag einen Policy-Mix aus Steuern, Verboten, Subventionen und Quoten vor.

Die CO2-Bepreisung wird als der wichtigste Mechanismus zur Reduzierung der CO2-Emissionen angesehen. Die FDP sieht es in Form eine Emissionsrechtemarkts als das effektivste an.[1]

Erstens, nach dem 2021 in Kraft getretenen Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) wird auf alle fossilen Brennstoffe eine CO2-Abgabe erhoben. Diese soll bis 2024 auf 70 Euro pro Tonne CO2 angehoben und ab 2025 in einem nationalen Emissionshandelssystem (ETS) festgelegt werden, welches den Preis bis 2030 wahrscheinlich auf ca. 155 Euro pro Tonne CO2 erhöhen wird. Nach Schätzungen des Öko-Instituts kostet die CO2-Abgabe bis 2030 im Jahresdurchschnitt 20,8 Milliarden Euro, das sind 0,6 Prozent des BIP oder 251 Euro pro Person.[2]

Der Koalitionsvertrag unterstützt die geplante Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems auf Heizen und Mobilität. Der deutsche Anteil am so reformierten europäischen ETS kostet durchschnittlich 3,7 Mrd. Euro pro Jahr, also 0,1 Prozent des BIP oder 45 Euro pro Kopf.[3]

Bereits jetzt hat Deutschland nach Schweden den zweithöchsten CO2-Preis weltweit.[4] Dieser signifikante Kostenfaktor und dessen weiterer Anstieg bis 2030 wird die Produktion in Deutschland immer weniger wettbewerbsfähig machen und somit die deutsche Industrie dazu zwingen, ihre Produktionsstätten ins Ausland zu verlagern, wo keine bzw. eine niedrigere CO2-Bepreisung gilt. Gleichzeitig wird es den die substitutive Importneigung von relativ günstigeren (Vor-)Produkten aus diesen Ländern erhöhen. Zusammenfassend wird diese Abwanderung von Produktionskapazitäten als Carbon Leakage bezeichnet, da sie nicht nur eine Form der Deindustrialisierung darstellt, sondern auch die globalen Netto-CO2-Emissionen nicht reduziert oder sogar erhöht. Seriöse Meta-Studien schätzen die negativen Auswirkungen der erhöhten CO2-Bepreisung und des Carbon Leakage auf die deutsche Wirtschaft zwischen 0,6 und 1,6 Prozent des deutschen BIP ein.[5],[6]

Anstatt deshalb die CO2-Bepreisung aufzuheben, unterstützt die Koalitionsregierung stattdessen die Einführung des Carbon Border Adjustment Mechanismus (CBAM) auf EU-Ebene, eines komplizierten und bürokratischen Importzolls, der auf ausländische Einfuhren in die EU basierend auf deren durchschnittlichen „CO2-Gehalt“ erhoben wird. Laut einem umfassenden Forschungsbericht der Europäischen Kommission wird das CBAM die deutsche Wirtschaft jährlich rund 7,7 Milliarden Euro kosten (0,2 Prozent des BIP oder 93 Euro pro Bürger).[7]

Die Bundesregierung will Deutschland aber nicht nur bis 2045 klimaneutral machen, sondern betont auch die Notwendigkeit negativer Emissionen. Zu diesem Zweck will sie die Entwicklung und den Markthochlauf von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) unterstützen. Nach Recherchen der KfW werden die durchschnittlichen jährlichen Investitionen in diesem Bereich, die auf aktuellem und nahem Kostenniveau  vorwiegend durch staatliche Beihilfen ermöglicht werden müssen, ca. 16,9 Milliarden Euro bzw. 0,5 Prozent des BIP oder 204 Euro pro Person betragen.[8]

Die regierenden Befürworter der CO2-Bepreisung sind sich bewusst, dass diese unpopuläre Maßnahme die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung erhöhen und besonders ärmere Haushalte hart treffen wird, da diese einen relativ höheren Anteil ihres Einkommens für Mobilität, Strom, Heizung und Nahrungsmittel aufwenden müssen (bereits beim Durchschnittshaushalt betrug dieser 52,2 Prozent der privaten Konsumausgaben im Jahr 2020).[9] Der Koalitionsvertrag erwägt daher die Einführung eines monetären Sozialausgleichs – das sogenannte Klimageld. Dieses Klimageld wird sich nach bisherigen Aussagen von Grünen und SPD sowie einschlägigen diesen Parteien nahestehenden Forschungspublikationen auf rund 118 Euro pro Person und Jahr belaufen, was 9,8 Milliarden Euro oder 0,3 Prozent des nationalen BIP entspricht.[10],[11],[12] Dieser vermeintliche Ausgleich gibt somit weniger als die Hälfte der nationalen CO2-Abgaben-Belastung an die Bürger zurück.

Zusammengenommen wird die Klimapolitik der Ampel in Form der CO2-Bepreisung die deutsche Wirtschaft jährlich 58,9 Mrd. Euro kosten. Umgerechnet sind das 1,7 Prozent des BIP oder 711 Euro pro Kopf und Jahr.

Quellen:

[1] FDP (2019). Emissionshandel ist das beste Klimaschutz-Konzept. URL: https://www.fdp.de/emissionshandel-ist-das-beste-klimaschutz-konzept

[2] Matthes F. et al. (2021). CO2-Bepreisung und die Reform der Steuern und Umlagen auf Strom: Die Umfinanzierung der Umlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Öko-Institut. URL: https://www.oeko.de/publikationen/p-details/co2-bepreisung-und-die-reform-der-steuern-und-umlagen-auf-strom-die-umfinanzierung-der-umlage-des-erneuerbare-energien-gesetzes

[3] Matthes F. et al. (2021).

[4] Böhm J., Peterson S. (2021). Fossil fuel subsidy inventories vs. net carbon prices: A consistent approach for measuring fossil fuel price incentives. IfW Kiel. URL: https://www.ifw-kiel.de/publications/kiel-working-papers/2021/fossil-fuel-subsidy-inventories-vs-net-carbon-prices-a-consistent-approach-for-measuring-fossil-fuel-price-incentives-16282/

[5] Branger F., Quirion P. (2013). Would border carbon adjustments prevent carbon leakage and heavy industry competitiveness losses? Insights from a meta-analysis of recent economic studies. Ecological Economics 99: 29-39, https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2013.12.010

[6] Böhringer C., Peterson S. et al. (2021). Climate Policies after Paris: Pledge, Trade, and Recycle. IfW Kiel. URL: https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/Sonja_Peterson/Climate_Policies_after_Paris__Pledge__Trade__and_Recycle/KWP_2183_EMF_overview_01.pdf

[7] European Commission (2021). Proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council establishing a carbon border adjustment mechanism. URL: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/carbon_border_adjustment_mechanism_0.pdf

[8] Brand S. et al. (2021). 5 Bio. EUR klimafreundlich investieren – eine leistbare Herausforderung. KfW Research. URL: https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Fokus-Volkswirtschaft/Fokus-2021/Fokus-Nr.-350-Oktober-2021-Investitionsbedarfe-Klimaneutralitaet.pdf

[9] Destatis (2020). Durchschnittliche Höhe der Konsumausgaben je Haushalt* im Monat in Deutschland nach Verwendungszweck im Jahr 2019. URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164774/umfrage/konsumausgaben-private-haushalte/

[10] Kemfert C. et al. (2021). Bayern klimaneutral und sozial – Maßnahmenvorschläge für eine soziale Klimatransformation in Bayern. DIW, SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag. URL: https://bayernspd-landtag.de/workspace/media/static/diwecon_bayern-klimaneutral-un-60dd9ee4d040f.pdf

[11] Kalkuhl M. (2021). Sozialer Ausgleich für Klimaschutz. WiWo. URL: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/sozialer-ausgleich-fuer-klimaschutz-besonders-trifft-es-die-einkommensschwachen-haushalte-/27835070.html

[12] Magoley N. (2021). Bundesparteitag: Grüne auf dem Weg zur Mitte. WDR. URL: https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/gruene-bundesparteitag-energiegeld-100.html

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