Strategische Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Seltenen Erden: Status quo und politische Empfehlungen

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut. München, 26. Dezember 2024.

Seltenerdelemente (SEE) wie Neodym, Dysprosium, Terbium, Lanthan, Yttrium, Cer, Praseodym, Scandium, Gadolinium und Europium sind essenziell für deutsche Schlüsselbranchen. Sie finden Anwendung in der Automobilindustrie (z. B. Elektromotoren, Katalysatoren), der Elektronik (Displays, LEDs, Magnete), den erneuerbaren Energien (Windkraft, Batterien), der Medizintechnik (MRT, Laser), der Luftfahrt (Leichtmetalllegierungen, Triebwerke) und der Optik (Kameras, Gläser) (vbw, 2024).

Bundesweit sind 1,3 Millionen Beschäftigte (17 % der Erwerbstätigen im verarbeitenden Gewerbe) in der Herstellung von selten-erd-haltigen Produkten tätig. Diese generieren eine Wertschöpfung von 161 Milliarden Euro (22 %) und einen Produktionswert von 501 Milliarden Euro (21 %)  (IW Consult, 2024). Dies verdeutlicht die hohe Abhängigkeit des verarbeitenden Gewerbes von Seltenen Erden.

Der Bedarf der deutschen Industrie an Seltenen Erdelementen belief sich im Jahr 2023 auf knapp 6.000 Tonne, die vollständig durch Einfuhren gedeckt wurden (Destatis, 2024).

Die hochtechnologische und innovative deutsche Industrie ist zunehmend auf eine zuverlässige und kostengünstige Versorgung mit Seltenen Erden angewiesen. Besonders die Automobilindustrie ist betroffen, da rund 65 % ihrer Wertschöpfung von der Verfügbarkeit dieser Elemente abhängen (IW Consult, 2024).

Gleichzeitig besteht ein erhebliches Versorgungsrisiko für die heimischen Wirtschaft. Insbesondere Neodym, Yttrium und Scandium werden als Elemente der roten Risikogruppe eingestuft (vbw, 2024). Dies liegt vor allem daran, dass Deutschland zu 95 % von SEE-Importen aus China abhängig ist (Schriftliche Anfrage der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, 2024). Im Jahr 2023 entfielen 91,3 % der weltweiten Raffinadeproduktion von Seltenen Erden auf China (IW Consult 2023).

Mögliche Lieferengpässe oder gar -stopps könnten sowohl durch binnenchinesische Ereignisse – wie „pandemiebedingte“ Hafenschließungen im Jahr 2020 oder energiebedingte Produktionsdrosselungen, etwa bei Aluminium im Jahr 2021 – als auch durch die politische Instrumentalisierung des Außenhandels durch die Kommunistische Partei Chinas (KPK) ausgelöst werden. Ein Beispiel hierfür sind die bereits 2010 verhängten chinesischen Ausfuhrkontrollen für SEE. (IW Consult 2023, IW Consult, 2024).

Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Angebotsschocks bei Seltenerdelementen wären verheerend für die heimische Industrie und könnten zu einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von rund 4 % führen – ein Ausmaß, das vergleichbar mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Einschränkungen in den Jahren 2020/21 wäre.

Daher muss die Bundesregierung eine Strategie entwickeln, um die kostengünstige und sichere Versorgung der deutschen Industrie mit Seltenen Erden sicherzustellen. Diese Strategie sollte neben weiteren wichtigen Maßnahmen auf drei zentralen Säulen basieren:

  1. Sicherung und Diversifizierung der SEE-Importe aus dem Ausland.
  2. Förderung des Abbaus von Seltenerdelementen aus heimischen Vorkommen in Deutschland.
  3. Ausbau von Recyclingkapazitäten für Seltenerdelemente in Deutschland.

Der European Critical Raw Materials Act (ECRMA), der im Frühjahr 2024 in Kraft tritt, verfolgt drei zentrale Ziele: die Sicherung und Resilienz der Importe, die Förderung der inländischen Primärrohstoffgewinnung und die Stärkung der Sekundärrohstoffwirtschaft (Europäische Kommission, 2024). Obwohl supranationale Initiativen der EU generell kritisch zu betrachten sind, enthält der ECRMA einige sinnvolle Ansätze. So legt es Richtwerte für die inländischen Kapazitäten entlang der Lieferkette strategischer Rohstoffe für 2030 fest: 10 % des jährlichen Förderbedarfs der EU, 40 % für die Verarbeitung und 25 % für Recycling. Außerdem sollte die EU nicht mehr als 65 % ihres jährlichen Bedarfs an einem strategischen Rohstoff in jedem relevanten Verarbeitungsstadium aus einem einzigen Nicht-EU-Land beziehen. Die folgenden Maßnahmenvorschläge orientieren sich an den Zielen des ECRMA.

Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass im Rahmen des European Critical Raw Materials Act (ECRMA) auch Local-Content-Bedingungen für Seltene Erden aus heimischem Abbau oder Recycling eingeführt werden, um den Zugang zu staatlichen Fördermitteln zu regeln. Ein ähnlicher Ansatz existiert bereits in den USA im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) und ist daher auch auf EU-Ebene handelspolitisch gerechtfertigt (vbw, 2024).

Sicherung und Diversifizierung der SEE-Importe aus dem Ausland

Die Bundesregierung muss das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) abschaffen und sich auf EU-Ebene für die Abschaffung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) einsetzen, da diese Regelungen die Versorgung der Bundesrepublik mit Seltenen Erden gefährden. Sie sind praktisch undurchführbar, erhöhen Bürokratie und Kosten, schwächen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und begünstigen Konkurrenten aus Ländern wie China (IfW Kiel, 2021).

Die Entscheidung der Bundesregierung, im Oktober 2024 einen Rohstofffonds der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als öffentlich-private Institution zu gründen, ist grundsätzlich begrüßenswert. Dieser Fonds sieht Mittel in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro für die Jahre 2024 bis 2028 vor, um Projekte im Bereich Bergbau, Weiterverarbeitung oder Recycling zu finanzieren – unabhängig davon, ob diese Vorhaben im In- oder Ausland umgesetzt werden. Bei Projekten im Ausland wird jedoch darauf geachtet, dass keine zusätzliche Lieferabhängigkeit Deutschlands entsteht. Die geförderten Rohstoffe orientieren sich an der Critical-Raw-Materials-Liste der EU und schließen auch leichte und schwere Seltene Erden (SEE) sowie Scandium ein. Reine Explorationsrisiken werden nicht finanziert, und der Finanzierungsbedarf pro Projekt sollte zwischen 50 und 150 Millionen Euro liegen (KfW, 2024; BMWK, 2023).

Im Ausland dient der Rohstofffonds der Diversifizierung der Lieferketten für Seltene Erden, da er zur Überwindung der hohen Fixkosten bei neuen Abbau- und Weiterverarbeitungsprojekten beiträgt. Kritisch ist jedoch die Ausklammerung von Projekten in Ländern, die unter Sanktionen stehen, wie beispielsweise Russland. Dies ist ein Fehler, der dringend korrigiert werden muss, da die deutsche Industrie auf kostengünstige Seltene Erden aus allen verfügbaren Quellen angewiesen ist. Mit über 21 Mio. Tonnen verfügt Russland über die drittgrößten Seltenerdreserven weltweit (USGS, 2023). Ebenfalls abzulehnen ist die Bedingung, dass Projekte die Due-Diligence-Anforderungen des KfW-Rohstofffonds erfüllen müssen. Wie bereits gesagt, ist diese Vorgabe wirtschaftsfeindlich und sollte deshalb ersatzlos gestrichen werden.

Das Kapital des KfW-Rohstofffonds sollte bis 2028 auf 5 Milliarden Euro erhöht werden. Die finanziellen Mittel hierfür wären vorhanden: Eine AfD-geführte Bundesregierung könnte allein im Bundeshaushalt durch Einsparungen bei Klima-, Energiewende- und Asylprogrammen über 100 Milliarden Euro pro Jahr freisetzen (Boehringer, 2024). Darüber hinaus sollten mögliche Finanzierungsoptionen im Rahmen von IPCEI-Projekten (Important Projects of Common European Interest) geprüft werden.

Für die Diversifizierung der SEE-Lieferketten sollte die Bundesregierung Rohstoffpartnerschaften mit führenden Produzentenländern außerhalb Chinas abschließen, wie den USA, Australien, Kanada, Schweden, Brasilien, Indien, Malaysia, Russland, Südafrika, Tansania, Thailand, Vietnam, Grönland (Dänemark) und Burma (USGS, 2024).

Zur Erhöhung der Lagerbestände von Seltenen Erden sollten die Bundesländer den Betrieb und die Inbetriebnahme dafür vorgesehener Lagerhallen gezielt fördern. Dies könnte durch folgende Maßnahmen erfolgen:

  • Senkung des Grunderwerbssteuersatzes für die entsprechenden Grundstücke auf 0 %.
  • Erstattung aus dem Staatshaushalt für entgangene Steuereinnahmen der Kommunen, wenn diese die Körperschaftssteuer und die Grundsteuer für die betreffenden Grundstücke und Lagerhallen auf 0 % reduzieren.
  • Verkürzung der Genehmigungsverfahren für SEE-Lagerhallen.

Angesichts der industriellen Kritikalität sollten diese Maßnahmen für alle Verarbeitungsstufen von Seltenen Erden gelten – vom Rohstoff (z. B. Oxide und Legierungen) bis hin zu nahezu fertigen Zwischenprodukten wie Mikrochips und Supermagneten.

Förderung des Abbaus von Seltenerdelementen aus heimischen Vorkommen in Deutschland

Hochentwickelte Industrienationen wie die USA, China oder Schweden widerlegen die Auffassung, dass fortschrittliche Länder ausschließlich auf den Import von Rohstoffen angewiesen sein sollten. Sie demonstrieren, wie der Abbau heimischer Mineralien und fossiler Energieträger gezielt zur Stärkung der eigenen Industrie beitragen kann. Auch in Deutschland sollten politische Entscheidungsträger diese Strategie stärker anerkennen und fördern.

Die Bundesregierung sollte die Vorgaben des KfW-Rohstofffonds entsprechend ausweiten, um auch geologische Untersuchungen zu den Reserven und dem wirtschaftlichen Potenzial des Abbaus von Seltenen Erden aus heimischem Erdboden zu veranlassen, da es bislang an umfassenden Erkenntnissen mangelt. Bisher gibt es nur sporadische Meldungen, wie etwa das Vorkommen von Seltenen Erden (Lanthan, Cer und Neodym) in Storkwitz nordwestlich von Leipzig, das zufällig während Uranbohrungen der Wismut AG in der DDR-Zeit entdeckt wurde. Das Vorkommen umfasst etwa 20.000 Tonnen Erz (LVZ, 2017).

Die bisher größten Untersuchungen von Seltenen Erden wurden von 2013 bis 2017 in Bayern durch das Landesamt für Umwelt (LfU) durchgeführt. Es konnte festgestellt werden, dass Bayern über eigene Reserven an Seltenen Erdmetallen verfügt, die sich auf Lagerstätten in Süd- und Nordbayern verteilen. Insgesamt wird das Potenzial auf 444 Tonnen leichte und 62 Tonnen schwere SEE-Oxide pro Jahr geschätzt. Allerdings ist eine wirtschaftliche Gewinnung derzeit schwierig, da die niedrige Konzentration im Abbaumaterial dazu führt, dass die Kosten für Abbau, Aufbereitung, Raffination, Abtrennung und Verarbeitung die Marktpreise der jeweiligen Seltenen Erden übersteigen (LfU Bayern, 2024).

Im zweiten Schritt sollte der KfW-Rohstofffonds gezielt den Abbau und die Raffination von Seltenen Erden im Inland fördern, sobald mögliche Potenziale durch Exploration identifiziert wurden. Dies würde nicht nur die Abhängigkeit von Importen reduzieren, sondern auch die heimische Wertschöpfung stärken und zur Sicherung strategischer Rohstoffe für die deutsche Industrie beitragen.

Um die Raffination von Seltenerdelementen kostengünstiger zu gestalten, soll sich die Bundesregierung die SEE-Raffination von der CO2-Abgabe auf Erdgas sowie von Vorgaben der „grünen Transformation“ befreien, etwa durch Vermeidung von finanziellen Nachteilen durch die EU-Nachhaltigkeitstaxonomie und der Nötigung zur Umstellung auf teuren Wasserstoff.

Die Genehmigungsverfahren in Europa dauern im internationalen Vergleich oft deutlich zu lange. Während die Vorlaufzeit bei Bergbauprojekten hier meist zwischen 10 und 15 Jahren liegt, sind diese in den USA mit 7 bis 10 Jahren und in Kanada sowie Australien mit durchschnittlich 2 bis 3 Jahren erheblich kürzer (KfW Research, 2023). Um die Umsetzung von Projekten für den Abbau und die Raffination Seltener Erden in Deutschland zu beschleunigen, sollte die Bundesregierung daher im Rahmen des European Critical Raw Materials Act (ECRMA) eine deutliche Verkürzung der Genehmigungsverfahren anstreben. Für Verarbeitungsprojekte wird eine maximale Dauer von 15 Monaten angestrebt, während Gewinnungsprojekte, insbesondere im Bergbau, innerhalb von 27 Monaten genehmigt werden sollen  (vbw, 2024).

Ausbau von Recyclingkapazitäten für Seltenerdelemente in Deutschland

Die End-of-Life-Recycling-Input-Quote für Seltene Erden in Deutschland liegt derzeit bei lediglich 3–8 Prozent Prozent (LfU Bayern, 2020).  Dabei variiert der Anteil je nach Element erheblich: Während Yttrium eine Recyclingquote von etwa 30 Prozent erreicht, liegt der Anteil für Neodymium nur bei rund 1 Prozent (IW Consult 2023).

Dabei hat das s.g. „Urban Mining“ ein hohes Potenzial für Wiederaufbereitung und Rückgewinnung von Seltenen Erden aus gebrauchten Elektronikgeräten und anderen Altmaterialien. Allein bundesweit in ungenützten „Schubladenhandys“ – 44,1 Tonnen Neobdym (Nd) im Wert von 7 Mio. Euro (IW Köln, 2023) Forscher schätzen bis 2040 Verdopplung von Neobdym-haltigem Magnetmaterial in Deutschland auf 600.000 Tonnen (öko Institut, 2022).  Allein der Materialwert der Metalle im anthropogenen Lager Deutschlands wird auf 650 Milliarden Euro geschätzt (Umweltbundesamt, 2017).

Um die Kreislaufwirtschaft für Seltene Erden voranzutreiben, ist es entscheidend, heimische Recyclingunternehmen zu fördern, die innovative Lösungen zur Rückgewinnung von Seltenen Erden aus Altmaterialien entwickeln (Umweltbundesamt, 2021). So eröffnete der deutsche Technologiekonzern Heraeus im Mai 2024 in Sachsen-Anhalt die größte europäische Recycling-Anlage mit einer Kapazität von 600 Tonnen pro Jahr, ausbaubar auf 1.200 Tonnen (VDI, 2024). Im Weiteren sollte der KfW-Rohstofffonds seine zentrale Rolle spielen, indem er gezielt die Finanzierung neuer Recyclingprojekte für Seltene Erden unterstützt und so zur Schließung von Materialkreisläufen beiträgt.

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Kostensenkung des SEE-Recyclings besteht darin, die politischen Rahmenbedingungen zu verbessern. Wie bei der SEE-Raffination muss die Bundesregierung das Recycling von Seltenen Erden von der CO2-Abgabe auf Erdgas sowie von sämtlichen Vorgaben der „grünen Transformation“, wie beispielsweise dem Zwangsumstieg auf Wasserstoff, befreien.

Um die Umsetzung von Kreislaufprojekten für Seltene Erden in Deutschland zu vereinfachen, sollte die Bundesregierung auch hier eine deutliche Verkürzung der Genehmigungsverfahren für entsprechende Recyclingstandorte auf maximal 15 Monate anstreben (vbw, 2024).

Letztendlich sollte die Bundesregierung die Fördergelder für Forschungsprojekte im Bereich des SEE-Recyclings erhöhen, insbesondere zur Effizienzsteigerung und Kostenreduktion. Im Rahmen des Programms „r4 – Innovative Technologien für Ressourceneffizienz“ stellte das BMBF bis 2018 60 Millionen Euro bereit, um Verfahren zur Rückgewinnung von Seltenen Erden zu entwickeln (PTJ, 2018). Projekte wie „REEsilience“ und das EU-unterstützte „REE4EU“ zielen auf die Rückgewinnung und Nutzung von Sekundärmaterialien ab. KIC EIT RawMaterials fördert nachhaltige Rohstoffnutzung, während das Fraunhofer-Institut an Technologien wie FUNMAG und SepSelsa arbeitet, um Altmaterialien wie Neodym-Magnete und Leuchtstoffabfälle aufzubereiten (Fraunhofer Institut, 2024). Das EU-Projekt SUSMAGPRO entwickelt eine Recycling-Lieferkette für Seltene-Erden-Magnete mit 18 Partnern europaweit (SEZ, 2024). Ein innovativer Ansatz ist das „Biomining“, bei dem Bakterien eingesetzt werden, um Seltene Erden aus Abfällen zu gewinnen (TUM, 2023).

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