Strompreiseffekte verschiedener Energieerzeugungsquellen in Europa

_ JuriJ Kofner, Ökonom, MIWI-Institut. München, 28. Oktober 2021.

Einführung

„Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Energiemix senkt den Strompreis“. Diese Forderung wird von Befürwortern einer beschleunigten Energiewende als wirtschaftliches Argument im Sinne des „Klimaschutzes“ vorgebracht. Vor allem in Deutschland.

Dieses Argument widerspricht jedoch einigen einfachen Beobachtungen.

In den letzten 20 Jahren, zwischen 2000 und 2020, hat sich der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung in Deutschland fast versiebenfacht: von 6,6 auf 44,7 Prozent. [1]

Im gleichen Zeitraum haben sich die Strompreise in Deutschland jedoch verdoppelt und verdreifacht: für Haushalte von 140 auf 314 Euro pro MWh und für die Industrie von 60 auf 186 Euro pro MWh. Deutschland hat mittlerweile einen der höchsten Strompreise der Welt. [2]

Der Hauptgrund für diesen Anstieg der Strompreise liegt in der Notwendigkeit, den Übergang zu erneuerbaren Energien zu finanzieren. Dies geschah über die um den Faktor 6,5 (Industrie) bzw. 26 (Haushalte) gestiegene EEG-Umlage, die nun 21,5 Prozent des Strompreises für die Industrie und 36,4 Prozent für die Haushalte ausmacht, sowie über Netzstabilisierungsmaßnahmen, die in den letzten 10 Jahren um den Faktor 40 gestiegen sind – von 23 Millionen Euro pro Jahr auf knapp 1 Milliarde Euro. [3]

Allerdings gibt es noch immer widersprüchliche Ansichten über die Preiswirkung der Energiewende.

Clodiuset al. (2014) schätzten unter Verwendung von Zeitreihenregressionsanalysen, dass die Stromerzeugung aus Wind und PV die Strompreise auf dem Spotmarkt in Deutschland bis 2012 um bis zu 10 Euro pro MWh reduziert hat. [4]

Nach Modellsimulationen des ifo Instituts werden die Strompreise in Deutschland bis 2040 in einem Szenario mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien im Erzeugungsmix am wenigsten steigen, – im Vergleich zu Szenarien mit relativ mehr Gaskraftwerken. Dies wird auf den Merit-Order-Effekt und erhöhte Stromexporte zurückgeführt. [5]

In einer aktuellen Stellungnahme schätzt das öko-Institut erneuerbare Energiequellen als die günstigste Stromerzeugungsmethode ein – mit 30 bis 55 Euro pro MWh (Solar) und 40 bis 80 Euro pro MWh (Wind) – und Atomkraft als die teuerste – mit 110 bis 170 Euro pro MWh. [6]

Allerdings schätzt Blümm (2021) anhand von Daten der IEA und der OECD die Stromgestehungskosten in Deutschland aus bestehenden und zukünftigen Kernkraftwerken am niedrigsten ein – mit 27 bis 40 Euro pro MWh, und das die Gestehungskosten bei Photovoltaik und Windkraftanlagen höher ausfallen – mit 82 bis 123 Euro pro MWh. [7]

Methodik und Daten

Um die Frage zu beantworten, ob der Ausbau der erneuerbaren Energien im Energiemix zu niedrigeren Strompreisen (für Endverbraucher) führt, hat der Autor eine Paneldaten-Zeitreihen-Regressionsanalyse eingesetzt, die auch zeit- und länderfixierte Effekte berücksichtigt.

Für diese Aufgabe verglich der Autor den durchschnittlichen jährlichen Strompreis für Nicht-Haushaltsverbraucher (d. h. Industrie) von 27 EU-Mitgliedstaaten von 2008 bis 2015 und den jährlichen Stromerzeugungsmix dieser Länder. Die Strompreisdaten stammen von Eurostat und werden in Euro pro MWh gemessen. [8] Die Daten zum Stromerzeugungsmix wurden dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie entnommen und sind als prozentualer Anteil je Erzeugungsmethode (Kohle, Erdgas, Erdöl, Kernkraft, Wasserkraft, Photovoltaik und Wind) angegeben. [9] In allen 216 Beobachtungen wurden 27 Länder, 7 Jahre und jeweils 9 Variablen analysiert.

Ergebnisse

Der Strompreis korreliert zu 85,6 Prozent mit dem Energiemix (R-Quadrat = 8,55). Mit Ausnahme des Solarstroms wirkt sich der Ausbau aller anderen Erzeugungsquellen preissenkend aus.

Der Ausbau der ölbasierten Erzeugung hat mit -0,167 den stärksten preissenkenden Effekt. Mit anderen Worten: Die Ausweitung der Rohölverbrennung im Energiemix der EU-Mitgliedstaaten um 1 Prozent senkt den durchschnittlichen Industriestrompreis um 1,67 Euro pro MWh. Bei einem p-Wert von 0,013 darf die Korrelation noch als statistisch signifikant angesehen werden. Dieser Effekt kann jedoch als übertrieben gesehen werden, da die ölbasierte Erzeugung im Durchschnitt weniger als 1 Prozent des Energiemixes ausmacht.

Den zweitgrößten preissenkenden Effekt hat die Kernenergie: Eine Erhöhung ihres Anteils am Erzeugungsmix um 1 Prozent senkt den durchschnittlichen Strompreis für Nicht-Haushaltsverbraucher um 1,36 Euro pro MWh. Mit einem p-Wert von 0,007 ist dieser Effekt statistisch signifikant.

Die Steigerung der Wasserkraft im Stromerzeugungsmix um 1 Prozent senkt den durchschnittlichen Industriestrompreis um 1,27 Euro pro MWh. Mit einem p-Wert von 0,005 ist dieser Effekt statistisch signifikant.

Der Ausbau der Gas- und Kohleerzeugung um 1 Prozent senkt den durchschnittlichen Strompreis um 1 Euro bzw. 0,73 Euro pro MWh. Die Korrelationen sind mit p-Werten von 0,058 bzw. 0,165 mehr oder weniger statistisch signifikant.

Eine Erhöhung des Anteils von Windkraftanlagen am Strommix um 1 Prozent senkt den durchschnittlichen Strompreis um 0,62 Euro pro MWh. Und erst der Ausbau der PV-Erzeugung im Energiemix um 1 Prozent erhöht den durchschnittlichen Strompreis um 0,32 Euro pro MWh. Allerdings ist die Korrelation dieser beiden unabhängigen Variablen mit einem p-Wert von 0,352 bzw. 0,726 statistisch nicht signifikant.

Anmerkungen

[1] BDEW (2021). Anteil Erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung in Deutschland in den Jahren 1990 bis 2020. URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1807/umfrage/erneuerbare-energien-anteil-der-energiebereitstellung-seit-1991/

[2] Faltlhauser M. (2020). Zahlen und Fakten zur Stromversorgung in Deutschland. Wirtschaftsbeirat Bayern. URL: https://www.wbu.de/media/news/positionen/publikationen/2020_ZahlenundFaktenzurStromversorgunginD2020.pdf

[3] Kofner Y. (2021). Safe, inexpensive and environmentally friendly energy for Bavaria. MIWI Institute. URL: https://miwi-institut.de/archives/1259

[4] Cludius J. (2014). The merit order effect of wind and photovoltaic electricity generation in Germany 2008–2016: Estimation and distributional implications. Energy Economics. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140988314001042

[5] Gawlick J. et al. (2020). Szenarien für die Bayerische Stromversorgung bis 2040. ifo Institut, TUM, IHK Oberbayern und München. URL: https://www.ihk-muenchen.de/ihk/Energie/200311_ifo-TUM-Studie_Stromversorgung_Bayern_2040.pdf

[6] Matthes F. (2021). Strompreise und Energie- kosten in der Energiewende zur Klimaneutralität. öko-Institut.

[7] Blümm F. (2021). Vollkosten pro kWh: Welche ist die günstigste Energiequelle? Tech for Future. URL: https://www.tech-for-future.de/kosten-kwh/

[8] Eurostat (2021). Electricity prices for non-household consumers. Annual data. URL: https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=nrg_pc_205&lang=en

[9] BMWi (2021). Energiedaten – Datensammlung des BMWi. URL: https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/Artikel/Energy/energy-data.html

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