TTIP 2.0? Überarbeitete transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft wäre gut für Deutschland

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut. München, 25. März 2022.

Am 20. März 2022 schlug das FDP-geführte Finanzministerium Deutschlands vor, die Verhandlungen über eine neue transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) fortzusetzen.[1] In der Tat wäre dieses tiefgreifende Handels- und Wirtschaftskooperationsabkommen für die deutsche Wirtschaft von großem Vorteil, vorausgesetzt das reformierte Abkommen würde Deutschland und der EU genügend Souveränität in Fragen wie der Regulierung multinationaler Unternehmen, von Lebensmittelstandards und des Arbeitsmarktes überlassen.

2017 trat das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der EU in Kraft. Es hat fast 98 Prozent der bisherigen Zölle abgeschafft, die gegenseitige Anerkennung technischer Vorschriften und Standards, den Schutz geistigen Eigentums vorgeschrieben und einen recht umstrittenen Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus zwischen den Parteien eingeführt. Gleichzeitig trat im Juli 2020 USMECA in Kraft, – eine erneuerte Version von NAFTA und ein genauso tiefes und umfassendes Freihandelsabkommen wie CETA.[2]

Mit Joe Biden als Präsidenten im Weißen Haus, gravierenden Lieferengpässe für die deutsche Industrie aus asiatischen Exportländern und dem Krieg in der Ukraine,  könnte es an der Zeit sein, auf die Frage der Ergänzung des EU-Kanada-CETA-Abkommens durch ein überarbeitetes Präferenzhandels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten zurückzukommen, welches den Kontroversen um das transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft  (TTIP) Rechnung tragen würde.

2016 stoppte Washington die TTIP-Verhandlungen. Die amerikanische Seite war besorgt über mögliche nachteilige Auswirkungen auf einheimische Industriearbeiter, während europäische Experten auf viele umstrittene Aspekte des Abkommens hinwiesen, darunter mangelnde Transparenz in den Verhandlungen, eine wahrscheinliche Senkung der Lebensmittelsicherheit und der Arbeitsstandards, das umstrittene „Schiedsgericht“ zum Schutz ausländischer Investitionen“, die nationales und EU-Recht hätte außer Kraft setzen können.

Im August 2020 konnten sich die USA und die EU auf ein vorübergehendes Ende ihres Handelskrieges sowie auf gegenseitige Zollsenkungen einigen, was auf eine mögliche Verbesserung der transatlantischen Handelsbeziehungen hoffen lässt.[3]

Die USA waren 2019 nach der EU das zweitwichtigste Exportziel Bayerns und machten 11,3 Prozent der bayerischen Exporte aus (21,3 Mrd. EUR). Bayerns wichtigste Exportgüter in die USA waren Hightech-Güter mit hoher Wertschöpfung: Personen- und Transportfahrzeuge (6,5 Mrd. 830 Mio. EUR).[4]

Nach Schätzungen des ifo Instituts sind das CEPII (Center d’Etudes Prospectives et d’Informations Internationales), das CEPR (Center for Economic and Policy Research) und der Eidgenössischen Technische Hochschule (ETH) in Zürich würde ein präferentielles Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA das deutsche reale Pro-Kopf-Einkommen um durchschnittlich 3,1 Prozent steigern, die deutschen Exporte in die USA fast verdoppeln (um 93 Prozent) und zwischen 100.000 und 181.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland schaffen.[5]

Quellen:

[1] Greive M. et al. (2022). TTIP-Neuauflage: Lindner fordert neues Freihandelsabkommen mit den USA. Handelsblatt. URL: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/handelspolitik-ttip-neuauflage-lindner-fordert-neues-freihandelsabkommen-mit-den-usa/28178362.html

[2] Felbermayr G. (2021). Bemerkungen zum CETA Abkommen. IfW Kiel. URL: https://www.bundestag.de/resource/blob/816668/8772ed53622b0edd57796ed1c1e3c3c3/19-9-921_Stellungnahme_Felbermayr-data.pdf

[3] European Commission (2020). Commission adopts proposal to make EU-U.S. agreement on tariffs effective. URL: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_1572

[4] Observatory of Economic Complexity (2020). Bavaria. URL: https://oec.world/en/profile/subnational_deu/bavaria

[5] elbermayr G. (2013). Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (THIP). Wem nutzt ein transatlantisches Freihandelsabkommen? Bertelsmann Stiftung, ifo Institut. URL: https://www.bertelsmannstiftung.de/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/pid/usa-und-gesamte-eu-wuerden-von-transatlantischem-freihandelsabkommen-erheblich-profitieren/

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