Vermögensbildung als Grundlage für Wohlstand, Demokratie und soziale Gerechtigkeit

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI Institut. München, 10. Oktober 2021.

Die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft, wie Walter Eucken, Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard, sahen die Möglichkeit der breiten Bevölkerungsschicht zur Vermögensbildung und der Bildung privaten Wohneigentums als eine der wichtigsten Grundlagen für eine wohlhabende, freie und sozial gerechte Gesellschaft.[1],[2],[3]

Deutsche sind weniger vermögend

Leider müssen wir einräumen, dass die Deutschen in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts bei der Vermögensbildung und dem privaten Wohneigentum deutlich hinter anderen Industrieländern zurückliegen.

Das jährliche Medianeinkommen in Deutschland war 2019 mit 23,5 Tsd. Euro zwar höher als in Frankreich (22,6 Tsd. Euro), Italien (17,2 Tsd. Euro), Spanien (15 Tsd. Euro) und Griechenland (8,2 Tsd. Euro).[4]

Darüber hinaus hat Deutschland eine der höchsten Beschäftigungsquoten aller OECD-Länder. 2019 lag die Arbeitslosigkeit in der BRD bei nur 3,1 Prozent; im Gegensatz zu Frankreich mit 8,4 Prozent, Italien mit 10 Prozent, Spanien mit 14,1 Prozent und Griechenland mit 17,1 Prozent.[5]

Und gleichzeitig gehört Deutschland zu den OECD-Ländern mit einer der höchsten Sparquoten des verfügbaren Haushaltseinkommens: 10,9 Prozent im Jahr 2019. Nur ein Mitglied der Eurozone wies eine etwas höhere Sparquote auf – die Niederlande.[6]

Dennoch ist das mediane Vermögen pro Erwachsenen in Deutschland deutlich niedriger als in den meisten anderen Industrieländern. Es betrug laut Credit Suisse Research Institute 56,7 Tsd. Euro. In Frankreich waren es dagegen 115,8 Tsd. Euro, in Italien 103 Tsd. Euro und in Spanien 91,7 Tsd. Euro. Nur die Griechen waren mit 50 Tsd. Euro weniger wohlhabend.

Aber die Deutschen waren auch weniger reich als die Österreicher (80 Tsd. Euro), die Australier (89 Tsd. Euro), die Kanadier (109 Tsd. Euro), die Dänen (144 Tsd. Euro), die Finnen (64 Tsd. Euro), die Koreaner (78 Tsd. Euro), die Niederländer (118 Tsd. Euro), die Norweger (102 Tsd. Euro), die Schweden (78 Tsd. Euro), die Briten (114 Tsd. Euro) und die US-Amerikaner (69 Tsd. Euro).[7]

Wie der deutsche Ökonom Daniel Stelter es ausdrückt, „sind die Deutschen trotz hohem Einkommen und fleißigen Sparens im Vergleich mit anderen Nationen deutlich ärmer“.[8]

Dabei ist Deutschlands Wirtschaft Hauptfinanzier der EU. Untersuchungen des cep zeigen, dass Deutschlands durchschnittliche jährliche Nettotransfers an den EU-Haushalt zwischen 2008 und 2017 11,9 Mrd. Euro betrugen. Das war fast 2- bzw. 3-mal höher als die Nettobeiträge von Frankreich (6,6 Mrd. Euro) bzw. Italien (4,1 Mrd. Euro), geschweige denn von Spanien und Griechenland, die Nettoempfänger von EU-Mitteln in Höhe von 3,2 Mrd. bzw. 4,9 Mrd. Euro waren.[9] Durch den Brexit und die Aufnahme der Gemeinschaftsschulden des Corona-Wiederaufbaufonds (NGEU) steigen die jährlichen Nettobeiträge Deutschlands in den Jahren 2021-2027  deutlich auf 27 Mrd. Euro.[10]

Nicht nur sind die arbeitsfleißigen und sparsamen Deutschen ärmer als die meisten ihrer Altersgenossen aus den anderen europäischen und industrialisierten Volkswirtschaften, auch die deutschen Niedrigeinkommens- und Mittelschichten sind im Vergleich viel weniger wohlhabend. So besaßen im Jahr 2021 die unteren 20 bis 40 Prozent in Deutschland nur 27.1 Tsd. Euro. Die gleiche Kategorie besaß in Frankreich 33,8 Tsd. Euro, in Griechenland 42 Tsd. Euro, in Italien 76,8 Tsd. Euro und in Spanien sogar 80,8 Tsd. Euro, also eineinhalb- bis dreimal mehr.

Und auch der berühmte deutsche Mittelstand war vergleichsweise weniger wohlhabend. Die mittleren 40 bis 60 Prozent der deutschen Verdiener besaßen 64,8 Tsd. Euro, während wiederum die Franzosen mit gleichem Einkommensniveau 113,8 Tsd. Euro zur Verfügung hatten, die Spanier 117,7 Tsd. Euro, die Italiener 131 Tsd. Euro. Und sogar die Griechen waren mit 70,4 Tsd. Euro vermögender.[11]

Drei Gründe für die beeinträchtigte Vermögensbildung

Was sind die Gründe dafür? In Deutschland wird das Potenzial zur Vermögensbildung immer weiter eingeschränkt. Dies zeigt sich in drei Hauptbereichen: einer niedrigen Wohneigentumsquote, der mangelnden Sparfähigkeit des privaten Sektors aufgrund von Negativzinsen und einer niedrigen Anlegeneigung, sowie einer erheblichen Steuerbelastung.

Ein Eigenheim ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für wirtschaftliche Eigenständigkeit, Vermögensaufbau, Krisensicherheit und Altersarmutsprävention. Leider besitzen nur 44 Prozent der deutschen Haushalte eine eigene Wohnimmobilie. In Österreich beträgt der Anteil 46 Prozent der Haushalte, in Frankreich 58 Prozent, in Italien 69 Prozent, in Griechenland 72 Prozent und in Spanien sogar über drei Viertel der Haushalte.[12]

Und auch die Eigenheimquote der deutschen unteren und mittleren Einkommensgruppen ist niedriger als in den vergleichbaren Einkommensgruppen der Euroländern. Unter den Geringverdienern besaßen nur 34,6 Prozent ein Eigenheim, während es in Frankreich bei gleichem Einkommensniveau 40,2 Prozent, in Italien 59 Prozent, in Griechenland 65,4 Prozent und in Spanien 70 Prozent waren. Vom deutschen Mittelstand besaßen nur 43,5 Prozent ein Eigenheim, während 60 Prozent der französischen Mittelschicht Eigenheimbesitzer waren. 66,5 Prozent in Italien, 74 Prozent in Griechenland und 78 Prozent der Haushalte mit mittlerem Einkommen in Spanien.[13]

Die relativ niedrige Eigenheimquote ist ein wichtiger Faktor für den relativen „Un“-Wohlstand der breiten Bevölkerungsschicht. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Unmöglichkeit, finanzielle Vermögenswerte zu kumulieren.

Die Deutschen haben zwar eine der höchsten Sparquoten, wie oben gezeigt, aber die Negativzinsen (Einlagenfazilität), die die EZB nach der Eurokrise eingeführt hat, verhindern nicht nur die Möglichkeit, Einlagen zu verzinsen, sondern machen die Privathaushalte sogar ärmer. Die Schätzungen des Autors auf Basis von Berechnungen der DZ-Bank und der Bundesbank zeigen, dass die Nettoverluste privater Sparer (also verrechnet mit „billigeren“ Krediten) jährlich 34,5 Milliarden Euro betragen. Das sind knapp 500 Euro pro Erwachsenem im Jahr.[14]

Leider sind die Deutschen gleichzeitig traditionell „risikoavers“ und eher skeptisch, in Wertpapiere zu investieren. Während in Deutschland nur 10,9 Prozent der Privathaushalte Aktien besitzen, sind dies in Frankreich 11,3 Prozent und in Spanien 11,6 Prozent. 10 Prozent der italienischen Haushalte besitzen Anleihen, in Deutschland hingegen nur 3,2 Prozent. Und in Finnland hält über ein Fünftel der Haushalte Aktien.[15]

Das ist schade, denn, während die meisten deutschen Geschäftsbanken bereits Strafzinsen erheben, lag in den vergangenen Jahren die durchschnittliche Dividendenrendite, beispielsweise, des DAX-Index bei etwa 3 Prozent.[16] Bei einer Anfangsinvestition von 10 Tsd. Euro und einer 30-jährigen Anlagedauer würde das Finanzvermögen auf über 24 Tsd. Euro anwachsen (ohne Inflation).

Nicht zuletzt, und trotz der relativ hohen Erwerbstätigenquote und des relativ hohen Einkommensniveaus, fällt es einem durchschnittlichen deutschen Arbeitnehmer aufgrund der hohen Steuerbelastung seines Gehalts zunehmend schwer, Vermögen aufzubauen. Im Jahr 2020 musste er fast ein Drittel (32,5 Prozent) seines Lohns an Einkommensteuer und Sozialabgaben abgeben. Dies ist die dritthöchste Lohnbelastung auf Arbeitnehmerseite unter den OECD-Ländern. Lediglich Litauen und Dänemark hatten mit 35,2 bzw. 35,4 Prozent eine höhere Belastungsquote. Zusammen mit den Sozialabgaben des Arbeitgebers nehmen Steuern fast die Hälfte (49,1 Prozent) des Durchschnittslohns in Deutschland weg und bescheren dem Land damit den unerfreulichen zweiten Platz bei der Lohnsteuerbelastung.[17]

Was nicht zu tun ist

Was also sollte getan werden, um dieses Problem zu lösen und die Mehrheit der Bürger wohlhabender zu machen? Die links-grüne Antwort wäre „mehr Umverteilung“ und „die Reichen besteuern“. Dass ausgerechnet Forscher des DIW diese Ansicht nicht teilen und der gegenteiligen Forderung Recht geben, ist erfreulich: „Wir müssen mehr tun, um die Breite der Bevölkerung wohlhabender zu machen. Einfach höhere Steuern auf Einkommen und Vermögen zu erheben, löst das Problem demnach nicht“.[18]

Vermögenssteuern und Mietobergrenzen gehören dabei zu den unsozialsten staatlichen Eingriffen, da diese zu negativen Wohlfahrtseffekten führen.

Makroökonomische Modelle des ifo Instituts zeigen, dass die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer das Bruttoinlandsprodukt um 6,2 Prozent senken würde, also jeden Bürger um knapp 2.600 Euro ärmer machen würde. Es würde auch inländische Unternehmensinvestitionen um 11 Prozent und ausländische Direktinvestitionen um 20 Prozent verringern.[19] Besonders hervorzuheben ist, dass in Deutschland die obersten 1 Prozent über zwei Drittel ihres Vermögens als Betriebsvermögen halten. Unternehmerisches Eigenkapital ist sowie die Voraussetzung für Unternehmensinvestitionen und Innovationen als auch ein wichtiger Puffer in Rezessionen. Und es schafft natürlich Abeitsplätze. [20]

Auch der Mietendeckel hat gravierende nachteilige Effekte für Wohnungssuche, Mieter, Vermieter und Investoren. Laut einer Umfrage des IW Köln hat der Berliner Mietendeckel das Angebot an Mietwohnungen halbiert. Ein Fünftel der Vermieter berichtete von negativen Vermögenseffekten aufgrund von Verlusten aus der Vermietung und knapp 60 Prozent gaben an, dass die Regulierung sich negativ auf die Bereitschaft zu großen Investitionen in deren Wohnungsbestände auswirkte.[21]

Wohneigentum, Wertpapiere und mehr Netto vom Brutto

Was wäre also die richtige Lösung? Die Regierungspolitik muss sich auf die Erleichterung der Vermögensbildung für die breite Bevölkerung konzentrieren. Ein guter Maßstab wäre, einen Vermögensmedian pro Erwachsenen wie in Frankreich oder Großbritannien zu erreichen.

Die Entwicklung der Vermögensquote der Bürger muss in einem jährlichen Regierungsbericht veröffentlicht werden.

Die obige Analyse liegt nahe, dass sich die notwendigen politischen Maßnahmen auf drei Kernbereiche konzentrieren sollten: Erhöhung der Eigenheimquote, Ermöglichung des Aufbaus von Finanzkapital der privaten Haushalte und Erhöhung des Nettoeinkommens aus dem Bruttogehalt.

Förderung von privatem Wohneigentum

Ein wichtiges Instrument zur Erreichung dieses Ziels wäre die Abschaffung der Grundsteuer und der Grunderwerbsteuer für die erste selbstgenutzte Immobilie. Dies würde den Immobilienmarkt um 27,2 Milliarden Euro (0,9 Prozent des BIP) und jeden erwachsenen Bürger jährlich um 390 Euro entlasten.[22] Der Ausgleich für entgangene Einnahmen an die Gemeinden ist vom Bund zu leisten. Im Weiteren sollte die steuerliche Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen eingeführt werden.

Eine weitere Maßnahme wäre eine Reduktion der teilweise überzogenen Standards und Vorgaben, die den Wohnungsneubau erschweren., darunter die Flexibilisierung der Energieeinsparverordnung, sowie die Reduzierung des Brand-, Wärme- und Schallschutzes auf ein notwendiges Mindestmaß.

Des Weiteren bedarf es einer bundesweiten Vereinfachung und Vereinheitlichung des Baurechtes und eine Beschleunigung von Verfahren durch Bürokratieabbau und Digitalisierung.

Wo möglich, sollen Selbstnutzer beim Verkauf öffentlichen Grundbesitzes bevorzugt werden.

Staatliche Wohnungsunternehmen sollen Mietern ihre Wohnung zum Kauf anbieten. Insbesondere für junge Familien ist das Erbbaurecht als kostengünstiger Einstieg in das Eigentum auszubauen. Wohnungsbaugenossenschaften sollen bei Vergabe von Wohnbauland bevorzugt werden, um mehr Bürgern den Einstieg in das Wohneigentum zu erleichtern. Staatliche Bürgschaften als Eigenkapitalersatz für bis zu 10 Prozent des Objektwertes sollen den Kauf von Wohnraum erleichtern. Eine weitere Maßnahme wäre die steuerliche Sonderabschreibung für die eigengenutzte Immobilie.

Bei der Miete sollte die Objektförderung durch die Subjektförderung ersetzt werden. D.h., der soziale Wohnbau sollte durch direkte Transfers an Geringverdiener. Diese Maßnahme würde insbesondere den sozial Schwachen zugutekommen, ihnen helfen, sich unter Wohnviert der Besserverdiener zu mischen und gleichzeitig die staatliche Einmischung in den Mietmarkt auf ein Minimum zu beschränken.

Die Schätzungen über das Ausmaß gehen auseinander, aber Tatsache ist, dass der Zustrom von Migranten und Flüchtlingen der letzten Jahre den Nachfragedruck auf dem Wohnungsmarkt erhöht hat. Laut einer aktuellen Umfrage des BAMF leben mittlerweile über drei Viertel der Asylbewerber, die seit 2013 nach Deutschland gekommen sind, in Wohnungen und Privathäusern.[23] Das RWI Consult prognostiziert, dass bis 2035 rund 300 Tausend neue Wohnungen gebaut werden müssen, um dem aktuellen Zuwanderungstrend Rechnung zu tragen.[24]  Gleichzeitig erhalten viele Migranten und Flüchtlinge eine Sozialwohnung vom Staat, obwohl sie in ihrem Herkunftsland möglicherweise noch ein Eigenheim oder eine Wohnung besitzen. Daher wäre es nur gerecht, nur solchen Einwanderern Sozialwohnungen zur Verfügung zu stellen, die keine andere Wohnung im Ausland besitzen. Notwendige Datenaustauschverträge innerhalb der EU und mit Drittstaaten sollten Bestandteil der deutschen Migrations- und Entwicklungspolitik werden.

Nach Einschätzungen der Deutschen Bundesbank, würde die Umsetzung dieser Maßnahmen die Wohneigentumsquote in Deutschland von 44 auf 58 Prozent erhöhen und somit das Vermögen der Deutschen um 11 Prozent erhöhen – das ist durchschnittlich ein Mehrvermögen je Erwachsenen von 6.200 Euro.[25]

Die Entwicklung der Wohneigentumsquote muss im jährlichen Regierungsbericht veröffentlicht werden.

Förderung von privatem Finanzvermögen

Wie bereits erwähnt, spart der Großteil der deutschen Privathaushalte trotz erheblicher Verluste durch den EZB-Negativzins weiterhin sein Einkommen in klassischen Bank-Einlagen. Die Lösung für diese paradoxe Situation wäre also, entweder zu einem positiven Zinssatz zurückzukehren oder den Deutschen zu helfen, ihr Geld mehr in Wertpapiere mit positiver Rendite – Aktien und Anleihen – anzulegen.

Allerdings, wie der Ökonom Markus Krall zu Recht erklärt, dürfte die Europäische Zentralbank trotz steigender Inflationsraten in der Post-COVID-Eurozone ihre Zinsen in absehbarer Zeit nicht erhöhen, da dies zu einer erheblichen Krise im Bankensektor und den vorgelagerten Zombieunternehmen führen würde.[26]

Die vielen fragwürdigen Maßnahmen der EZB, wie die erwähnten Negativzinsen, aber auch die faktische Staatsfinanzierung durch ihre Anleihekaufprogramme und nun ihre kürzlich entdeckte Liebe zum „Klimaschutz“, haben die Forderungen nach einer Renationalisierung der Geldpolitik verstärkt.

Tatsächlich zeigen frühere Studien des Autors, dass ein Ausstieg aus dem Euro und die Wiedereinführung der D-Mark das heimische BIP sogar um 1,3 Prozent steigern und jeden Deutschen um 665 Euro jährlich reicher machen könnten – dank Wechselkurs- und Zinseffekt.[27] Eine weniger radikale Option wäre die Einführung einer Parallelwährung, wie sie von Ökonomen wie Bernd Lucke und Fritz W. Scharpf vorgeschlagen wird.[28],[29]

Da beide Optionen unwahrscheinlich sind, bleibt nur eine realpolitische Alternative: mehr Bürgern zu helfen, mehr Geld nicht auf „Sparbüchern“ anzulegen, sondern in andere Finanzanlagen zu investieren. Dies kann durch drei zentrale Maßnahmen erreicht werden: Steuersenkungen für private Investitionen in Aktien und Anleihen, breitere Finanzbildung und die Schaffung eines Staatsfonds.

Als erste Maßnahme könnte die Regierung den Steuersatz der Kapitalertragsteuer von 25 bis 20 Prozent senken oder den aktuellen Freibetrag für KMU- und kleine private Investoren erhöhen. Die Steuerermäßigung würde eine Gesamtsumme 5,7 Mrd. Euro (0,2 Prozent des BIP) befreien und jeden erwachsenen Bürger jährlich um 82 Euro entlasten.[30]

Eine weitere Maßnahme könnte die Abschaffung der Erbschaftssteuer sein, die dem Volk 7,1 Mrd. Euro (0,2 Prozent des BIP) belassen und jeden erwachsenen Bundesbürger um 102 Euro reicher machen würde.[31]

Wie oben aufgezeigt, ist eine breite Bildung in grundlegenden wirtschaftlichen Zusammenhängen und im gemeinen Finanzwesen notwendig, damit mehr Bürger die richtige Geldanlage für die Vermögensbildung lernen. Aus diesem Grund sollte nach finnischem und österreichischem Vorbild das Fachgebiet „Finanzwissen“ als Lehrfach in der Mittelstufe mit Teilnahme am entsprechenden PISA-Modul eingeführt werden. Des Weiteren bedarf es lebenslanger berufsbegleitender Lehrangebote zum Kapitalmarkt.

Viele eminente Ökonomen, z.B. ifo-Präsident Clemens Fuest[32] oder CEPS-Chef Daniel Gros,[33] schlagen die Einrichtung eines nationalen Vermögensfonds nach dem Vorbild Norwegens vor. Dieser Fonds könnte mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllen: private Investitionen in Wertpapiere attraktiver machen, die Rendite des deutschen Auslandsvermögens steigern und die staatliche Rentenversicherung auf sichere Füße stellen.[34]

Daher sollte der Bund einen Staatsfonds gründen, der den Bürgern eine aktienbasierte Rentenversicherung zur Verfügung stellt und die Mittel in ein breites Portfolio in- und ausländischer Vermögenswerte investiert. Die Mittel können auf drei Wegen finanziert werden: freiwillige oder obligatorische Rentenversicherungsbeiträge mit garantierter Mindestrendite, Neuverschuldung des Staates oder die TARGET-2-Ansprüche als Sicherheit (1.115 Mrd. Euro im September 2021).[35] Demnach könnte sich das Vermögen pro Erwachsenen zwischen 720-1380 Euro (in zusätzlichen Rentenzahlungen pro Jahr) auf mindestens 16 bis 25 Tausend Euro (einmalige Zahlung) erhöhen. Um eine unabhängige renditeorientierte Vermögensverwaltung zu gewährleisten, sollte der Volksvermögensfonds von der Bundesbank verwaltet werden.

Steuerentlastungen: Mehr Netto vom Brutto

Schließlich, aber am wichtigsten, sollte sich der deutsche Wohlfahrtsstaat vom Paradigma der übertriebenen Umverteilung – die Staatsquote lag vor Corona bei über 44 Prozent des BIP, im Jahr 2020 sprang sie auf 51 Prozent – lossagen und die breite Wohlstandsschaffung wieder in den Mittelpunkt seiner Sozial- und Steuerpolitik setzen, so wie es Ludwig Erhard mit seinem „Wohlstand für Alle“ intendierte und umsetzte.

Dies bedeutet die Verringerung der Steuerbelastung von Arbeit, Produktivität und Unternehmertum.

Als wichtige Maßnahme soll der Staat den Freibetrag der Einkommensteuersätze anheben, was sie nach Berechnungen des ifo Instituts von insgesamt 38,4 Milliarden Euro (1,2 Prozent des BIP) befreien würde und vor allem den Geringverdienern und den Mittelstand zugute käme. Dies entspricht einer jährlichen Entlastung von 553 Euro pro Erwachsenen. Durch die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags wird die Steuerbelastung um weitere 0,8 Mrd. Euro bzw. 12 Euro pro Kopf reduziert.[36]

Eine mögliche Abschaffung der Gewerbesteuer und die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 15 auf 10 Prozent würden kleine und mittlere Unternehmen um 71 Milliarden Euro (2,2 Prozent des BIP) oder 1022 Euro pro Bundesbürger erheblich entlasten.[37]

Die oben vorgeschlagenen Reformen zur Vermögensbildung würden das Vermögen jedes deutschen Erwachsenen im Durchschnitt um fast 25 Tsd. Euro auf 81,4 Tsd. Euro erhöhen – höher als in Österreich, Korea, Schweden, Finnland und den USA.

Anmerkungen

[1] Gerd Habermann G. (2004). Müssen Utopien sozialistisch sein? ORDO. Stuttgart.

[2] Eucken W. (1952). Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Freiburg.

[3] Tüpper R.A. (2020). Vermögenspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft. KAS. URL: https://www.kas.de/en/veranstaltungsberichte/detail/-/content/vermoegenspolitik-in-der-sozialen-marktwirtschaft

[4] Eurostat (2021). Mean and median income by age and sex – EU-SILC and ECHP surveys, URL: https://ec.europa.eu/eurostat/en/web/products-datasets/-/ILC_DI03

[5] OECD (2021). Unemployment rate. URL: https://data.oecd.org/unemp/unemployment-rate.htm#indicator-chart

[6] OECD (2021). Household savings. URL: https://data.oecd.org/hha/household-savings.htm

[7] Credit Suisse Research Institute (2021). Global Wealth Report 2021. URL: https://www.credit-suisse.com/about-us/en/reports-research/global-wealth-report.html

[8] Stelter D. (2021). Ein Traum von einem Land. Deutschland 2040. campus Verlag. Frankfurt.

[9] Kullas M., Rudolph K. (2020). Umverteilung durch die EU und den horizontalen Länderfinanzausgleich in Deutschland. Centrum für Europäische Politik (cep). URL: https://www.cep.eu/eu-themen/details/cep/umverteilung-durch-die-eu-und-den-horizontalen-laenderfinanzausgleich-in-deutschland-cepinput.html

[10] Kofner Y. (2021 a). Welfare effects of DEXIT: Deutschmark and European Economic Community 2.0. MIWI Institute. URL: https://miwi-institut.de/archives/1060

[11] ECB (2021). The Households Finance and Consumption Survey. Wave 2017 (May 2021 version). URL: https://www.ecb.europa.eu/pub/economic-research/research-networks/html/researcher_hfcn.en.html

[12] Ibid.

[13] Ibid.

[14] Kofner Y. (2021 b). Blue Deal: Fiscal and economic effects of the AfD’s economic program. MIWI Institute. URL: https://miwi-institut.de/archives/1284

[15] ECB (2021).

[16] Deutsche Bank Research (2021).  DAX-index dividend. URL: https://moneyinvestexpert.com/dividend-stocks/the-list-of-dax-index-stocks-and-dividend

[17] OECD (2021). Taxing Wages 2021. URL: https://www.oecd.org/tax/taxing-wages-20725124.htm

[18] Dinklage F. et al. (2020). Das obere Prozent. ZEIT, DIW. URL: https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-07/vermoegensverteilung-deutschland-diw-studie-ungleichheit

[19] Fuest C., Potrafke N. (2021). Steuer- und Finanzpolitik: Auf Wachstum ausrichten. ifo Institut. URL: https://www.ifo.de/en/publikationen/2021/article-journal/taxation-and-fiscal-policy-positioning-growth

[20] Beznoska M., Hentze T. (2021). Vermögensteuer: Keine Steuer ist wirtschaftsfeindlicher. IW Köln. URL: https://www.iwkoeln.de/studien/martin-beznoska-tobias-hentze-keine-steuer-ist-wirtschaftsfeindlicher-510617.html

[21] Sagner P., Voigtländer M. (2021). Auswirkungen des Berliner Mietendeckels auf private Vermieter. IW Köln. URL:

https://www.iwkoeln.de/studien/pekka-sagner-michael-voigtlaender-auswirkungen-des-berliner-mietendeckels-auf-private-vermieter-517575.html

[22] Kofner Y. (2021 b).

[23] Tanis K. (2021). Entwicklungen in der Wohnsituation Geflüchteter. BAMF. URL: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/kurzanalyse5-2020-wohnen.pdf?__blob=publicationFile&v=7

[24] rwi consult (2021). Wohnungsbedarf in Deutschland bis 2035. URL: https://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/rwi-consult/2021-08-16_projektbericht_rwi_consult_wohnungsbedarf_deutschland_bis_2035.pdf

[25] Kaas L. et al. (2020) Reasons for the low homeownership rate in Germany. Deutsche Bundesbank. URL: https://www.bundesbank.de/en/publications/research/research-brief/2020-30-homeownership-822176

[26] Krall M. (2020). Die bürgerliche Revolution. Kopp Verlag. Rottenbutg am Neckar.

[27] Kofner Y. (2021 a) und Kofner Y. (2021 b).

[28] Lucke B. (2013). Wir wollen keine einseitige Rückkehr zur D-Mark. NZZ. URL: https://www.nzz.ch/wir-wollen-keine-einseitige-rueckkehr-zur-d-mark-1.18079264?reduced=true

[29] Scharpf F.W. (2018). There is an alternative: A two-tier European currency community. Max-Planck-Institut. URL: https://www.mpifg.de/pu/mpifg_dp/2018/dp18-7.pdf

[30] Eigene Berechnungen anhand von: Destatis (2021). Steuereinnahmen aus der Erbschaftsteuer in Deutschland von 2007 bis 2020. URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/235806/umfrage/einnahmen-aus-der-erbschaftsteuer/#:~:text=Im%20Jahr%202020%20betrugen%20die,und%20wird%20als%20Erbanfallsteuer%20erhoben.

[31] Eigene Berechnungen anhand von: Büttner T. et al. (2020). Der Beitrag der Familienunternehmen

zum Steueraufkommen in Deutschland. ifo Institut, Stiftung Familienunternehmen. URL: https://www.ifo.de/DocDL/Steuerbeitrag-der-Familienunternehmen_2020.pdf

[32] Fuest C., Chr. Hainz, V. Meier und M. Werding (2019). Das Konzept eines deutschen Bürgerfonds. ifo

Institut. URL: https://www.ifo.de/DocDL/ifo-studie-2019-fuest-etal-buergerfonds.pdf

[33] Gros D, Mayer T. (2012). A Sovereign Wealth Fund to Lift Germany’s Curse of Excess Savings. CEPS. URL: https://www.ceps.eu/ceps-publications/sovereign-wealth-fund-lift-germanys-curse-excess-savings/

[34] Kofner J. (2021). Stabile Altersvorsorge trotz demografischem Wandel und Niedrigzinsen – staatlichen kapitalgedeckten Rentenfonds schaffen. MIWI Institut. URL: https://kofner.de/archive/3667

[35] Deutsche Bundesbank (2021). TARGET2-Saldo. URL: https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/unbarer-zahlungsverkehr/target2/target2-saldo/target2-saldo-603478

[36] Kofner Y. (2021 b).

[37] Ibid.

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