Versorgungssicherheit der deutschen Energiewende gewährleisten: Einführung des Kombikraftwerkskonzepts (KKV)

_ Jurij Kofner, Ökonom, MIWI – Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. München, 8. August 2021.

Die von Bund und Ländern geförderte Energiewende belastet die Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit des Energiedreiecks auf eine gefährliche Weise.

Deutschland hatte bereits 2019 einige der höchsten Strompreise weltweit für private Haushalte (knapp 30 Cent/kWh) und für die Industrie (knapp 20 Cent/kWh). [1]

Der geplante Ausstieg von konstanter bzw. regelbarer Leistung (Atomkraft 2022 und Kohle 2038) hin zu volatiler und umweltabhängiger Erzeugung (Solar- und Windenergie) wird zu einer bedrohlichen Stromerzeugungslücke für die deutsche und bayerische Wirtschaft führen.

Für Deutschland insgesamt geht der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) bereits 2022 von einer Stromlücke aus. Für 2023 wird ein Spitzenimportbedarf von 46 TWh prognostiziert. [2] Das Öko-Institut prognostiziert insbesondere, dass Bayern 2035 fast 40 Prozent (39 TWh) seines Stroms importieren werden müssen. In der Wintersaison werden es sogar 80 Prozent sein. [3] Modellschätzungen des ifo Instituts ermitteln einen künftigen Importbedarf für Bayern von 25 bis 33 Prozent des Stromverbrauchs im Jahr 2040. [4]

Eine kürzlich im Bayerischen Landtag abgehaltene Expertenanhörung zum Thema „Stromspeicher der Zukunft“ hat gezeigt, dass Energiespeicher nach aktuellem Stand der Technik und Investitionen das Volatilitätsproblem der erneuerbaren Energien in einem sehr begrenztem Umfang und nur mithilfe massiver staatlicher Eingriffe lösen können. [5] Andererseits beklagen Experten wie Hennig F. (2021), dass steuerliche und bürokratische Hemmnisse des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) marktbasierte Investitionen in Energiespeicherung und in eine Grundlast-freundliche (erneuerbare) Stromproduktion benachteiligen. [6]

Damit die politisch gewollte Energiewende gelingen kann, müssen die beiden vernachlässigten Dimensionen des Energiemarktdreiecks wieder stärker berücksichtigt werden (Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit; – die dritte Dimension ist die Umweltfreundlichkeit).

Erneuerbare Energien machten 2019 bereits 40 Prozent der Bruttostromerzeugung in Deutschland [7] und über die Hälfte (51,6 Prozent) der Bruttostromerzeugung in Bayern aus, davon 16,1 Prozent Photovoltaik und 6,7 Prozent Windkraft. [8] Die Bundesregierung hat beschlossen, dass diese 100 Prozent bis zum Jahr 2050 erreichen muss. [9] Daher ist es längst überfällig, den Erzeugern erneuerbarer Energien Systemverantwortung zu übertragen.

Als Lösung für dieses Problem schlagen Fell H.J. et Traber T. (2020) die Systemintegration erneuerbarer Energien über eine garantierte Vergütung für „Kombikraftwerke“ (Kombikraftwerkvergütung, KKV) vor. [10]

Kern dieses Vorschlags ist, dass Investoren keine Einspeisevergütung für Investitionen in einzelne erneuerbare Energieerzeugungsquellen, wie momentan im EEG geregelt, sondern für gesetzlich und/oder vertraglich zusammengeschlossene Energieerzeuger oder -speicher erhalten, was durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Erzeugungs- und Speichertechnologien eine gewisse lokale Grundlast garantieren können.

Ein Beispiel für ein solches kombiniertes System, z. B. auf kommunaler Ebene, könnte ein Mix aus Batteriespeicher, Fotovoltaik, Windkraftanlage und Wasserstoffelektrolyse sein. Gefördert werden die verschiedenen Energieträger und Speicher nicht einzeln, sondern insgesamt und je nachdem, ob dieses Kombisystem zu jeder Stunde des Jahres bedarfsgerecht und System-freundlich Strom einspeisen kann.

Ein Modelltest für Bad Kissingen in Bayern hat ergeben, dass eine Vergütung von 8 Cent/KWh ausreichend ist. [11]

Das KKV-Modell hat folgende Vorteile:

– Es ist technologieoffen, da Investoren und Betreiber völlig frei entscheiden können, welchen Mix aus (erneuerbaren) Energien und Speichertechnologien sie wählen. Dies macht Sektorkopplungsprojekte attraktiver.

– Abgesehen davon, dass es sich immer noch um eine staatliche Förderung handelt, gehört dieser Ansatz zu den eher marktwirtschaftlich orientierten, da einerseits bei gleicher KKV-Vergütung die Gewinnmarge bei effizienzsteigernder und kostensparender Auslegung der Kombikraftwerke steigt. Andererseits müssen sich größere Kombianlagen (über 500 KW bzw. über 3 MW bei Windkraft) gemäß den EU-Vorgaben mit einer gleitenden Marktprämie am Bestandsmarkt orientieren und damit am Stromwettbewerb durch „direktes Marketing“  teilnehmen.

– Es fördert die Sicherheit: wie im Sinne der Planungssicherheit für private Investoren, so auch im Hinblick auf die Versorgungsstabilität für den steigenden deutschen und bayerischen Strombedarf, insbesondere nicht nur in der Bilanz, sondern auch als physikalisch eigenständige Nah- und Regionalversorgungskerne. Dadurch werden Brown- und Blackout-Risiken minimiert.

– Es ist voll kompatibel mit dem aktuellen Rechtsrahmen der Bundesregierung und der EU. [12]

– Es unterstützt die ressourcen-, energie- und CO2-sparende, d. h. umweltfreundliche, Dimension des Transformationsprozesses in der deutschen und bayerischen Energiewirtschaft unter Beachtung der oben genannten Prinzipien der (Markt-)Wirtschaftlichkeit, Technologieoffenheit und Angebotssicherheit.

Anmerkungen

[1] Faltlhauser M. (2020). Zahlen und Fakten zur Stromversorgung in Deutschland. Wirtschaftsbeirat Bayern. URL: https://www.wbu.de/media/news/positionen/publikationen/2020_ZahlenundFaktenzurStromversorgunginD2020.pdf

[2] EuPD Research (2020). Energy Transition in the context of nuclear and fossil-fuel phase-out. Electricity market perspectives until 2040. URL: https://www.thesmartere.de/media/doc/5fd2419b4eb76a1610040472

[3] Koch M. et al. (2020). Betrachtungen zum Klimaschutz und zur Versorgungssicherheit der Bayerischen Stromversorgung im Jahr 2035. Öko-Institut. URL: https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Klimaschutz-und-Versorgungssicherheit-der-Bayerischen-Stromversorgung-2035.pdf

[4] Gawlick J. et al. (2020). Szenarien für die Bayerische Stromversorgung bis 2040. ifo Institut, TUM, IHK Oberbayern und München. URL: https://www.ifo.de/en/publikationen/2020/monograph-authorship/szenarien-fur-die-bayerische-stromversorgung-bis-2040

[5] Bayerischer Landtag (2021). Stromspeicher der Zukunft. Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung. URL: https://www.bayern.landtag.de/aktuelles/aus-den-ausschuessen/wirtschaftsuasschuss-anhoerung-stromspeicher-der-zukunft/

[6] Hennig F. (2021). German energy transition: tackling the energy storage problem. MIWI Institute. URL: https://miwi-institut.de/archives/1046

[7] BDEW (2020). Anteil der Energieträger an der Bruttostromerzeugung in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2020. URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/170853/umfrage/struktur-der-bruttostromerzeugung-in-deutschland/

[8] StMWi (2021). Energiebilanz. Daten und Fakten. URL: https://www.stmwi.bayern.de/energie-rohstoffe/daten-fakten/

[9] IHK (2020). IHK-EnergiewendeBarometer 2020. Auswertung für Bayern. URL: https://www.ihk-muenchen.de/ihk/documents/International/Energiewende-Barometer_2020_WEB_L3.pdf

[10] Fell H.J., Traber T. (2020). Eckpunkte für eine Gesetzesinitiative zur Systemintegration Erneuerbarer Energien.  Sektorenkopplungs- und Innovationsgesetz für Erneuerbare Energien (SIG-EE). EWG. URL: http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/EWG_Eckpunkte-fuer-eine-Gesetzesinitiative-zur-Systemintegration-Erneuerbarer-Energien.pdf

[11] Traber T. et al. (2020). 100% Erneuerbare Energien für alle Energiesektoren: Eine Optimierung für den Landkreis Bad Kissingen. EWG. URL: http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/EWG_Regionalstudie_Bad-Kissingen.pdf

[12] von Bredow V.H. (2020). Rechtliche Stellungnahme zur Vereinbarkeit einer Kombikraftwerksvergütung oder -prämie mit dem EU-Recht. EWG.

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