Frauenquoten sind kontraproduktiv und moralisch falsch

_ Juri Kofner, Ökonom, MIWI – Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. München, 16. Februar 2021.

Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz muss von der Gesellschaft und der Regierung aktiv unterstützt werden. Ein Kernprinzip der westlichen Demokratie und der westlichen Wertegemeinschaft ist das Primat der Chancengleichheit und des individuellen Wertes jedes Menschen unabhängig von Geschlecht, Rasse, Religion und vielen anderen Gruppenidentitäten. Abgeleitet in die Unternehmenswelt bedeutet dies: Das Auswahlkriterium für die Besetzung einer bestimmten Position muss allein die persönliche Eignung einer Person in Bezug auf das zu besetzende Tätigkeitsfeld sein, keine irrelevante Überlegung. Als Form positiver Diskriminierung und Ergebnisgleichheit (Paritätsprinzip) widerspricht die Frauenquote dieser Grundwahrheit.

Die Frauenquote verstößt nicht nur gegen westliche Werte, sondern auch gegen deutsches Recht: Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) dient allein der Herstellung von Chancengleichheit, nicht aber der Besetzung aller Stellen auf der Grundlage der Gleichstellung der Geschlechter um ihrer selbst willen. Darüber hinaus greift die Frauenquote in der Privatwirtschaft auch in die Grundrechte der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 GG, der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG sowie der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG ein [1]. Aufgrund dieser Rechtskollision wurden die Paritätsgesetze in den Bundesländern Thüringen und Brandenburg bereits von ihren jeweiligen Landesverfassungsgerichten für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. [2]

Zudem ist die Frauenquote kontraproduktiv: 2019 hatten laut Weltbank 43 Länder einen höheren Frauenanteil im mittleren und oberen Management als Deutschland (28,6 Prozent). Dazu zählen die Dominikanische Republik (1. Platz; 50,2 Prozent), Honduras (2. Platz, 47,5 Prozent), die Seychellen (3. Platz, 47,3 Prozent), aber auch relativ konservative Länder wie Russland (8. Platz, 42 Prozent), Polen (11 Platz 41,2 Prozent), die USA (unter Trump, Platz 12, 40,8 Prozent). [3] Allen diesen Ländern ist gemeinsam, dass sie keine Frauenquote in Unternehmen haben, was wiederum bestätigt, dass diese Maßnahme nicht erforderlich ist.

Zudem hat die Einführung einer Frauenquote in Unternehmensvorständen die Wachstumsrate des Frauenanteils in mittleren und höheren Führungspositionen gebremst: In Deutschland lag dieser vor Einführung eines Quotenmandats (2016) im Durchschnitt bei 2,1 Prozent pro Jahr, danach waren es nur noch 0,5 Prozent; in Island 3,7 Prozent vorher (2013) und 2,7 Prozent danach; in Finnland 2,7 Prozent vorher (2010) und weniger als 1 Prozent danach; in Norwegen 4,4 Prozent vor (2008) und null danach. [4],[5]

Auch eine Studie der Leeds University (2018) zeigt, dass Frauen in Ländern, in denen Frauen positiv diskriminiert werden, seltener die traditionell von Männern ausgeübten MINT-Berufe wählen. [6]

Der logische Trugschluss postmoderner Geschlechter- und Identitätspolitik lässt sich mit zwei kritischen Fragen weiter verdeutlichen. Erstens, wenn Geschlechterquoten erforderlich sind, um die männliche „Dominanz“ auf dem Arbeitsmarkt zu reduzieren, warum sind sie dann nur für einflussreiche Führungspositionen erforderlich, nicht aber für alle anderen männlich dominierten Berufe, einschließlich Bergbau, Bauwesen, Abwasserbehandlung, Schlachthofarbeit, Müllentsorgung usw.?

Zweitens versuchen Befürworter von (Gender-, dh Identitäts-)Quoten, diese als Mittel zu rechtfertigen, um eine tatsächliche oder vermeintliche Unterrepräsentation oder Benachteiligung einer Person aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten kollektiven Identität „wiedergutzumachen“. Wenn es Frauenquoten geben soll, warum sollte es dann nicht auch Quoten für andere Gruppenidentitäten geben? Und wer hat die Entscheidungsbefugnis, welche Identitätsgruppe in welchem ​​Ausmaß benachteiligt oder unterrepräsentiert ist? Schon jetzt werden Quoten für Asylbewerber, Farbige, Muslime etc. gefordert. Aber soll es auch Quoten im Management für Dicke und Dünne, für Schöne und Hässliche, für Alte und für Kinder geben?

Anstatt das kollektivistische Konzept der Ergebnisgleichheit voranzutreiben, sollte die Regierung zu den westlichen Werten der Chancengleichheit und des individuellen Verdienstes zurückkehren. Entscheidet sich eine Frau für eine Karriere als Führungskraft, sollte sie nicht aufgrund ihres Geschlechts daran gehindert werden. Nicht mehr und nicht weniger.

In der westlichen Gesellschaft kann eine potenzielle Diskriminierung bei der Einstellung von Frauen in das mittlere und obere Management aus zwei Hauptgründen entstehen: erstens, auf Seiten des Arbeitgebers, aufgrund der immer bestehenden Möglichkeit des Mutterschaftsurlaubs. [7] Zweitens, auf Seiten der weiblichen Selbstselektion: Eine Umfrage von Linkedin (2019) ergab, dass Frauen im Durchschnitt weniger geneigt sind, sich für eine Position im mittleren bis oberen Management zu bewerben. Anstatt eine mechanistische Quote einzuführen, sollten diese beiden Hauptthemen im Rahmen der Arbeits- und Sozialpolitik behandelt werden. Die gleiche Linkdin-Studie ergab jedoch, dass Frauen, wenn sie sich um eine Stelle bewerben, eher eingestellt werden als Männer. [8]

Führende Studien zeigen, dass die wirksamste und notwendigste politische Maßnahme zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen die bessere Bereitstellung von Kinderbetreuungsdiensten ist. [9]

Anmerkungen

  1. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags (2018). Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Frauenquoten. WD 3 – 3000 – 080/18.
  2. Siehe: Urteil – Thüringer Verfassungsgerichtshof – Freistaat Thüringen (2020). URL: http://www.thverfgh.thueringen.de/webthfj/webthfj.nsf/8104B54FE2DCDADDC12585A600366BF3/$File/20-00002-UA.pdf?OpenElement und Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (2020). Pressemitteilung. Paritätsgesetz verfassungswidrig. URL: https://verfassungsgericht.brandenburg.de/verfgbbg/de/presse-statistik/pressemitteilungen/detail/~23-10-2020-paritaetsgesetz-verfassungswidrig
  3. Weltbankdaten (2020). URL: https://data.worldbank.org/indicator/SL.EMP.SMGT.FE.ZS
  4. Siehe ua: Smith N. (2018). Geschlechterquoten in Aufsichtsräten. Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Bonn. URL: https://wol.iza.org/articles/gender-quotas-on-boards-of-directors/long
  5. Schätzungen des Autors basierend auf Daten der Weltbank. URL: https://miwi-institut.de/archives/category/research/governance
  6. Gijsbert S., Geary D. (2018). Das Paradox der Gleichstellung der Geschlechter in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik. Psychologische Wissenschaft. URL: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0956797617741719
  7. Bertogg A. et al. (2020). Geschlechterziehung bei der Stellenbesetzung von Fachkräften in zwei männlichdiskriminierten Berufen: Eine Vignettenstudie mit realen Stelleninseraten und Personalverantwortlichen in vier europäischen Ländern. KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. URL: https://link.springer.com/article/10.1007/s11577-020-00671-6#Sec16 
  8. Linkedin (2019). Gender Insights-Bericht. URL: https://business.linkedin.com/content/dam/me/business/en-us/talent-solutions-lodestone/body/pdf/Gender-Insights-Report.pdfutm_source=website&utm_medium=backlink 
  9. Vuri D. (2016). Erhöht die Kinderbetreuungspolitik die Beschäftigung von Müttern? Forschungsinstitut zur Zukunft der
    Arbeit (IZA). Bonn. URL: https://wol.iza.org/articles/do-childcare-policies-increase-maternal-employment/long

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