Wer wird entlastet, wer zahlt mehr? Steuerkonzepte von SPD und AfD im Vergleich

_ J.C. Kofner, Ökonom, MIWI Institut. FREILICH Magazin. München – Graz, 29. Oktober 2024. 

SPD und AfD eröffnen den Bundestagswahlkampf indem beide mit neuen Steuerkonzepten um die Gunst der „restlichen 90 Prozent“ buhlen – die einfachen Bürger und den arbeitenden Mittelstand. Doch während die SPD, die in den Umfragen von 26 auf 16 Prozent gefallen ist, verzweifelt ihren verlorenen Status als Arbeiterpartei zurückgewinnen will, hat die AfD diesen Ruf längst übernommen. Bei den letzten Landtagswahlen in Hessen wählten 4 von 10 Arbeitern die AfD, in Thüringen sogar jeder Zweite. Die AfD will diesen Status mit ihrem neuen Steuerkonzept sichern und neben Migrationsthemen verstärkt für ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik wahrgenommen werden.

Deutschland ist ein Hochsteuerland

Fast die Hälfte des Lohns eines Durchschnittsdeutschen geht für Steuern und Sozialabgaben drauf – damit belegt Deutschland Platz 2 unter 38 OECD-Ländern. Unternehmen zahlen rund 30 Prozent Steuern, eine der höchsten Raten weltweit. Der Grundfreibetrag liegt 2024 bei mageren 11.784 Euro im Jahr, und der Spitzensteuersatz von 42 Prozent greift ab 66.760 Euro Einkommen – ein echter Anreizkiller für Leistungsträger. Verdienste über 278.000 Euro im Jahr werden mit dem Höchststeuersatz von 45 Prozent besteuert, die sogenannten „Reichensteuer“.

SPD-Steuerkonzept: Vage Versprechen

Das angebliche Steuer-„Konzept“ der SPD ist wenig konkret. Außer einer kurzen Erwähnung im Positionspapier des Seeheimer Kreises – dem noch gemäßigteren Flügel der SPD – und einigen verstreuten Kommentaren in der Presse gibt es keine klaren Ansätze. Es wirkt eher wie der verzweifelte Versuch, wieder einmal positiv in der Presse erwähnt zu werden.

Die SPD verspricht eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll bei Ledigen erst ab einem Einkommen von 80.000 Euro und bei Verheirateten ab 175.000 Euro greifen. Allerdings soll der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent und der Höchststeuersatz von 45 Prozent auf 48 Prozent angehoben werden. Mit den Mehreinnahmen sollen die „unteren 95 Prozent“ entlastet werden.

Fragwürdige Entlastungen

Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes trifft nicht die Superreichen, sondern die hart arbeitende obere Mittelschicht. Ärzte, Anwälte und KMU-Manager, die sich ihren Wohlstand erarbeitet haben, würden massiv belastet. Bei einem Einkommen von 80.000 Euro Brutto würden netto nur 3.667 Euro im Monat übrig bleiben – alles andere als ein Luxusleben für jemanden der davon selbst die Miete oder eine Hypothek bezahlen muss. Genau dadurch werden bereits jetzt jedes Jahr 70.000 hochqualifizierte Deutsche ins Ausland getrieben.

Auch die versprochene Entlastung ist kaum der Rede wert. Die Mehreinnahmen durch die höheren Steuersätze würden laut ZEW nur 5,5 Milliarden Euro betragen – ein Tropfen auf dem heißen Stein angesichts von 360 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Die meisten Steuerzahler könnten mit maximal 10 Euro pro Monat entlastet werden – ein schlechter Witz.

Das weiß auch die SPD. Deshalb liebäugelt sich schon wieder mit der Vermögensteuer, was insbesondere das Betriebsvermögen und damit die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen würde. Und obwohl die SPD die Ungerechtigkeit kritisiert, dass Kapital mit 25 Prozent geringer besteuert wird als Arbeit, bietet sie keine Änderungsvorschläge an, um dies zu beheben.

AfD „Steuerreform25“: Ein konkreter Plan

Im Gegensatz zu den vagen Ankündigungen der SPD hat die AfD mit ihrem Steuerkonzept „Steuerreform25“ ein konkretes und detailliertes Programm vorgelegt. Der vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Jörg König und dem finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Kay Gottschalk eingebrachte Antrag wurde unter Federführung von Prof. Dr. Fritz Söllner von der Technischen Universität Ilmenau erarbeitet. Mit einer radikalen Reform nach dem Vorbild von Paul Kirchhoff verfolgt die AfD das Ziel, die Steuerbelastung der Bürger drastisch zu senken und Bürokratie abzubauen.

Das Konzept sieht statt der Körperschaft- und Einkommensteuer einen einheitlichen, linearen Einkommensteuersatz von 22 Prozent auf alle Lohn- und Betriebseinkommen vor. Außerdem wird das Familiensplitting eingeführt, der Freibetrag für Erwachsene auf 15.000 Euro und der für Kinder auf 12.000 Euro erhöht. Das Kindergeld bleibt erhalten und wird nicht auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Besonders bemerkenswert ist die vollständige Abschaffung der Gewerbesteuer, die durch eine Gemeindewirtschaftssteuer von maximal drei Prozent ersetzt wird.

Weniger Bürokratie als Ziel

Damit wird die Steuerberechnung erheblich vereinfacht: 25 Prozent auf alles – Arbeit, Gewinn und Kapital. Die Kosten für Finanzbeamte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sinken drastisch, weil die Bürger ihre effektive Steuerhöhe auf einem einfachen DIN-A4-Blatt selbst ausrechnen können. Thomas Piketty würde applaudieren: Kapitaleinkommen werden nicht mehr privilegiert, Arbeitseinkommen nicht mehr benachteiligt.

Ein weiterer Vorteil sind die progressiven Elemente der Reform: Niedrige und mittlere Einkommen profitieren überproportional von höheren Freibeträgen. So würde ein Arbeitnehmer mit einem Medianeinkommen von 43.750 Euro durch den höheren Grundfreibetrag und den niedrigeren Grenzsteuersatz rund 7.000 Euro mehr im Jahr erhalten. Diese Änderungen schaffen faire Leistungsanreize: Wer mehr arbeitet, erhält netto proportional mehr.

Auch die Privatwirtschaft würde profitieren

Mit dem Familiensplitting und der Vervierfachung des Grundfreibetrags für Kinder wird der immensen demografischen Herausforderung, vor der Deutschland steht, Rechnung getragen. Eine Familie mit drei Kindern hätte im Vergleich zur heutigen Regelung einen um bis zu 17.000 Euro höheren Grundfreibetrag.

Nicht zuletzt profitieren auch deutsche Unternehmen von der Reform. Durch die Abschaffung der Körperschaft- und Gewerbesteuer sinkt die Unternehmensbesteuerung von 30 auf 25 Prozent, was Deutschland im internationalen Steuerwettbewerb wieder attraktiv macht und Investitionen in neue Produktionsstätten anzieht.

Risiko: Geringere Steuereinnahmen?

Allerdings gibt es auch kritische Punkte. Die Kommunen könnten zunächst geringere Steuereinnahmen verzeichnen, was die fiskalische Subsidiarität einschränkt. Hier müsste im Finanzausgleich nachjustiert werden, um den kommunalen Anteil an den Steuereinnahmen von Bund und Ländern zu erhöhen. Zudem könnte die Steuerreform zunächst zu deutlichen Steuermindereinnahmen führen. Aber: Deutschland hat kein Einnahmenproblem – mit über 39 Prozent liegt die Abgabenquote im oberen Viertel der OECD-Länder – sondern ein Ausgabenproblem. Eine AfD-Regierung könnte über 100 Milliarden Euro in Bereichen wie Asyl, Energiewende, Klima und Entwicklungshilfe einsparen.

Steuersenkungen führen zudem zu Wirtschaftswachstum und damit zu höheren Steuereinnahmen. Studien zeigen, dass eine Senkung der Steuerquote um einen Prozentpunkt das BIP-Wachstum im Durchschnitt um rund 2,75 Prozent erhöhen kann.

Insgesamt zeigt sich, dass die „Steuerreform25“ der AfD konkret, seriös und äußerst vorteilhaft für Normalverdiener, Mittelstand und Unternehmen ist. Und im Gegensatz zur SPD ist die AfD bereit, auch andere zentrale Probleme direkt und konsequent anzugehen: Rückwanderung statt Masseneinwanderung, breiter Energiemix statt einseitiger Energiewende und Euro-Austritt statt Inflation sind nur einige Beispiele.

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